Der Andere

Eine Filmkritik von Lida Bach

Schach dem Verführer

In einem kleinen italienischen Café sitzt er Peter (Liam Neeson) von Angesicht zu Angesicht gegenüber: „Der Andere“, Ralph (Antonio Banderas), der sich „Rafe“ nennt, und mit Peters Ehefrau Lisa (Laura Linney) eine leidenschaftliche Affäre hatte. Nach Lisas spurlosem Verschwinden lässt der Gedanke an ihre Liebesbeziehung Peter nicht mehr los. Bis nach Mailand verfolgt er Lisas Spuren. Über einer Schachpartie entspinnt sich hier ein emotionales und strategisches Duell zwischen den Männern, die nicht nur auf dem Brett Gegenspielern sind. Richard Eyre inszeniert nach Iris und Tagebuch eines Skandals mit Der Andere zum dritten Mal eine prominent besetzte Charakterstudie mit subtilen Thriller-Elementen.
Der britische Regisseur kleidet sein auf der gleichnamigen Kurzgeschichte Bernhard Schlinks (Der Vorleser) basierendes Liebesdrama in vollendete Bilder, deren abwechselnd kühle und warme Farben die Gefühle seiner Protagonisten widerspiegeln. Als Epitome des südländischen Verführers ist Ralph das Gegenbild des kühlen Engländers Peter, der mit Verachtung dessen „Gucci-Treter“ bemerkt. Zu ihrer ersten Unterhaltung gibt Peter Anlass, indem er sich auf Ralphs Stammplatz in einem Schach-Café setzt. Unbewusst nimmt Peter die Position ein, welche seine psychologische Ausgangsstellung bei der Konfrontation spiegelt. Er selbst sieht sich als „Der Andere“, fühlt sich als Ehemann durch die heimliche Affäre Lisas zum Beiwerk ihres Lebens degradiert. Seinem Kontrahenten, den er zuvor mit der Waffe konfrontieren wollte, tritt er nun auf dem Schachbrett gegenüber. Das Spiel ist eine moderne Umformung des anarchischen Kampfes um die Dame. Die gewaltsame Auseinandersetzung weicht einer psychologischen. Diese keineswegs neue Form der Konfrontation während des Schachs nutzt Eyre zum Spiel mit Symbolen. Ralphs Aufmerksamkeit erregt Peter mit der „indischen Verteidigung“. Bei der Zugkombination wird die eigene Dame geopfert, um den Gegner in Sicherheit zu wiegen. Der gleichen Taktik bedient sich Peter im psychologischen Duell. Nicht ahnend, wer Peter ist, spricht Ralph freimütig über seine Liebesbeziehung zu Lisa. Dem großspurigen Italiener intime Details zu entlocken, gelingt dabei so einfach, dass Peters Wissensgier fast masochistische Züge annimmt. Als er erzürnt die Figuren vom Brett fegt, markiert dies Peters drohendes Aufgeben nach einem vermeintlichen doppelten Matt.

Doch Ralphs Triumph entpuppt sich als Etappensieg: mit seinen persönlichen Eingeständnissen hat er leichtfertig seine Deckung aufgegeben. Hinter der Fassade des reichen Liebhabers ist „Rafe“ ein ausgehaltener Liebhaber, der seinen vermeintlichen neuen Freund Peter um Geld bitten muss. Ohne seinen Panzer ist Ralph verwundbar wie die Schildkröte, welcher er Peter zeigt. Der erkennt, dass er seine Strategie ändern muss, um den König ohne Kleider, der sich hinter dem Image des Latin-Lovers verbirgt, zu schlagen. Tatsächlich ist Peter der Betrüger, der zu sein er Ralph vorwirft. Seinen Sieg verdankt er einem raffinierten Täuschungsmanöver. Nicht Ralph ist der Verführer, sondern Peter. Lisa ging bewusst ein Verhältnis ein, ihr Ehemann hingegen verleitet Ralph zu einem intellektuellen Kräftemessen, dem „Der Andere“ nicht gewachsen ist. Seine Hauptfigur führt Eyre hier allerdings zu leichtfertig über das emotionale Minenfeld, so dass das Kräftemessen mehr Kinderspiel als Psycho-Spiel ist, vor dessen homoerotischer Komponente das Drama zurückscheut. Indem er an Lisas Stelle Ralphs E-Mail beantwortet nimmt Peter indirekt den Platz der Geliebten ein. Dies gipfelt in einem Dinner, bei dem Ralph anstelle seiner Geliebten dem Konkurrenten auf dem Brett und im Bett ins Gesicht sehen muss. Rache ist ein Gericht, dass man am besten kalt serviert. Die Weisheit seiner Landsleute bekommt der gebürtige Spanier Banderas zu spüren, als Peter kühl seine liebevolle Ehe schildert.

Wie von Eyre mehrfach angedeutet, erweisen sich die Liebesszenen zwischen Ralph und Lisa als Peters Fantasien über die reale Affäre seiner Frau. Das Damenopfer ist das Ideal seiner Frau als perfekte Gattin, welches er aufgeben muss, um sie weiterhin zu lieben. Der Sieg des wohlsituierten bürgerlichen Ehelebens, komplett mit der überstürzten Versöhnung Peters mit seiner entfremdeten Tochter Abigail (Romola Garai), ist ein kleiner Wermutstropfen an Prüderie. Der weitgehend gelungenen amourösen Schachnovelle gibt er an manchen Stellen einen unangenehm moralisierenden Nachgeschmack, der die Freude über diesen Film aber kaum trüben kann.

Der Andere

In einem kleinen italienischen Café sitzt er Peter (Liam Neeson) von Angesicht zu Angesicht gegenüber: „Der Andere“, Ralph (Antonio Banderas), der sich „Rafe“ nennt, und mit Peters Ehefrau Lisa (Laura Linney) eine leidenschaftliche Affäre hatte. Nach Lisas spurlosem Verschwinden lässt der Gedanke an ihre Liebesbeziehung Peter nicht mehr los. Bis nach Mailand verfolgt er Lisas Spuren.
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