Darling (2015)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Seelischer Abgrund

Darling folgt in seinem Stil ganz klar der Tradition von großartigen Werken wie Roman Polanskis Rosemary’s Baby oder Der Mieter, steht diesen Meisterwerken jedoch in Nichts nach.“ Auf dem DVD-Rücken zu Mickey Keatings Psycho-Kammerspiel findet sich dieses vollmundige Versprechen, das der kleine Schocker allerdings nicht einzulösen vermag. Ähnlich wie in seinem Hinterland-Reißer Carnage Park, der 2016 beim Fantasy Filmfest zu sehen war, erweist der junge Regisseur und Drehbuchautor legendären Kollegen und bekannten Kinoarbeiten seine Ehre, schafft es trotz einer formal ambitionierten Gestaltung aber nicht, den Zuschauer nachhaltig zu fesseln. Zu vorhersehbar ist der Abstieg in den Wahnsinn, den Darling beschreibt. Und zu forciert wirken mitunter die stilistischen Spielereien, mit denen Keating auch dieses Mal eine eigentlich simple, wenig originelle Geschichte aufzuwerten versucht.
Dreh- und Angelpunkt der Handlung ist die verschüchterte Darling (Lauren Ashley Carter), die als Haussitterin auf ein altes Gemäuer in New York aufpassen soll, um das sich unheimliche Gerüchte ranken. Von ihrer Auftraggeberin (Sean Young) erfährt sie bei der Schlüsselübergabe, dass Darlings Vorgängerin in den Tod gesprungen ist, was sie jedoch nicht davon abhält, den Job anzutreten. Seltsame Geräusche und ein verschlossenes Zimmer bringen die neue Haushüterin zunehmend aus der Ruhe und sorgen schon bald dafür, dass sie den Bezug zur Realität verliert.

Neben den oben genannten Klassikern kommt einem auch Polanskis psychotischer Albtraum Ekel in den Sinn, in dem Catherine Deneuve den dramatischen geistigen Verfall einer jungen Frau nachzeichnet. Dass Darlings Verunsicherung und ihre Paranoia kein gutes Ende nehmen werden, ist mit Blick auf die offensichtlichen Vorbilder keine Überraschung und deutet sich im Grunde schon in den ersten Szenen an, die von atonalen, beunruhigenden Klängen begleitet werden. Ähnlich wie in Carnage Park setzt Keating auf eine auffällige, in die Eingeweide eindringende Soundkulisse, die den fragilen Zustand der Protagonistin treffend spiegelt, auf Dauer aber einiges von ihrer unbehaglichen Wirkung einbüßt. Weniger wäre an manchen Stellen wohl doch etwas mehr gewesen.

Gekleidet ist die zeitlich nicht genau verortete Erzählung in schwarz-weiße Bilder, die Darlings Abgleiten in den Wahnsinn ein Stück bedrückender erscheinen lassen. Auf Handlungsebene beschränkt sich der minimalistische Psychothriller auf das Notwendigste. Zeigt seine Hauptfigur beim vorsichtigen Erkunden des alten Hauses, bei kurzen Ausflügen in die Straßen des Big Apples. Und treibt ihre wachsende psychische Anspannung in einem drastischen, schockartigen Gewaltausbruch auf die Spitze. Das alles würde auch für einen Kurzfilm reichen. Keating bemüht sich dennoch, sein Angstszenario auf halbwegs abendfüllende Länge auszuweiten. Auch, indem er immer wieder abrupte, aggressive Flashs in das Geschehen hineinmontiert, die kurze, verstörende Bilder zeigen.

Wenngleich man dem jungen Filmemacher für seinen Mut am Experimentieren und seine inhaltliche Offenheit Respekt zollen muss, bleibt am Ende, analog zum Backwoods-Vertreter Carnage Park, ein höchst durchwachsenes Gefühl zurück. Emotional packend gerät der Leidensweg von Darling trotz einer soliden Schauspielleistung nicht. Handfeste Spannung kommt nur in seltenen Momenten auf. Und Keatings Versuche, dem Ganzen einen unkonventionellen Anstrich zu verpassen, muten zuweilen – Stichwort: Kapiteleinteilung – arg prätentiös an. Möglicherweise wäre dem zweifelsohne einfallsreichen Regisseur schon damit geholfen, wenn er sich in Zukunft etwas weniger deutlich an großen Genrefilmen abarbeiten und der Figurenzeichnung ein bisschen mehr Aufmerksamkeit schenken würde.

Darling (2015)

„ ‚Darling‘ folgt in seinem Stil ganz klar der Tradition von großartigen Werken wie Roman Polanskis ‚Rosemary’s Baby‘ oder ‚Der Mieter‘, steht diesen Meisterwerken jedoch in Nichts nach.“ Auf dem DVD-Rücken zu Mickey Keatings Psycho-Kammerspiel findet sich dieses vollmundige Versprechen, das der kleine Schocker allerdings nicht einzulösen vermag.
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