Crimson Peak (2015)

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Ein Monster namens Liebe

Neun Jahre ist es mittlerweile her, dass der Filmemacher Guillermo del Toro mit dem viel gefeierten Mystery-Drama Pans Labyrinth handfesten Grusel verbreitete. Auch wenn er seitdem kein Horrorwerk mehr inszenierte, blieb der mexikanische Kinovisionär dem Genre treu. Als Produzent brachte er unter anderem die gelungenen Ibero-Schocker Das Waisenhaus und Julia’s Eyes mit auf den Weg und war auch am Drehbuch zum eher mittelprächtigen Spukhausstreifen Don’t Be Afraid of the Dark beteiligt. Mit Crimson Peak feiert del Toro nun sein Comeback als Horrorfilmregisseur. Entstanden ist eine opulente, bildgewaltige Schauermär, deren Handlungsverlauf sich jedoch leicht erahnen lässt.

Buffalo zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Die selbstbewusste Schriftstellerin Edith Cushing (Mia Wasikowska) arbeitet akribisch an ihrem großen Durchbruch, als sie dem englischen Adligen Thomas Sharpe (Tom Hiddleston) begegnet, der ihren Vater, den erfolgreichen Industriepionier Carter Cushing (Jim Beaver), als Investor für eine technische Erfindung gewinnen will. Wehmütig muss Ediths langjähriger Bekannter Dr. Alan McMichael (Charlie Hunnam) mit ansehen, wie die junge Frau dem Charme des Ausländers erliegt. Eines Abends kündigt dieser allerdings ganz unerwartet seine Rückkehr in die Heimat an, was die ehrgeizige Autorin zutiefst verstört. Da sie sich vor seiner Abreise aber noch einmal in die Arme laufen, kommen sie am Ende doch zusammen. Als Ediths Vater unter mysteriösen Umständen ermordet wird, beschließt das Paar, in das Familienanwesen der Sharpes zu ziehen, das sie sich mit Thomas‘ unterkühlter Schwester Lucille (furchteinflößend: Jessica Chastain) teilen müssen. Edith, die seit der Kindheit den Geist ihrer toten Mutter sieht, wird auch in Allerdale Hall von unheimlichen Erscheinungen geplagt, die einen schrecklichen Verdacht nähren: Offenbar birgt die abgelegene Villa ein dunkles Geheimnis.

Hat es zunächst den Anschein, als wollten del Toro und Koautor Matthew Robbins Ediths Auflehnung gegen gesellschaftliche Konventionen genauer untersuchen, zeigt sich mit der Ankunft des galanten Thomas die eigentliche Stoßrichtung von Crimson Peak. Im Mittelpunkt steht eine schaurig-schöne Liebesgeschichte in der Tradition klassischer Gothic-Werke wie Alfred Hitchcocks Literaturadaption Rebecca. Kreis- und Schiebeblenden verleihen dem Film einen altmodischen Anstrich, während sporadisch platzierte Gewalteruptionen dem modernen Splatter-Kino huldigen. An manchen Stellen lässt es sich der mexikanische Regisseur nicht nehmen, das Publikum ganz plötzlich zu verstören. Etwa als der Kopf von Ediths Vater an einem Waschbecken brutal zertrümmert wird.

Exzesse wie diese sind bis zum zügellosen Showdown allerdings nicht die Regel. Vielmehr dominiert eine beklemmend-morbide Atmosphäre, besonders nach dem Umzug ins englische Hinterland. Edith erscheint zunehmend wie eine Gefangene, die noch nicht begreifen kann, worauf sie sich hier eingelassen hat. Für den Zuschauer, der über ein entscheidendes Mehrwissen verfügt, ist hingegen schon früh ersichtlich, dass die Sharpes böse Absichten verfolgen. Weshalb der Film seine Spannung vor allem aus der Frage bezieht, ob die junge Schriftstellerin den Mauern des trostlosen Anwesens und damit der gefährlichen Dreiecksbeziehung entkommen wird. Da die Handlung recht einfach gestrickt ist, sind die finalen Offenbarungen nicht wirklich überraschend. Viele Anzeichen deuten schon im Voraus in eine ganz bestimmte Richtung.

Schade ist auf jeden Fall, dass del Toro und Robbins die bereits zu Beginn etablierte Beziehung zwischen Edith und der Totenwelt bloß als Aufhänger für explizite Warnhinweise und eine Reihe Schockmomente nutzen. In den meisten Fällen wirkt das Auftauchen der Geister recht willkürlich. Und das Schicksal der gepeinigten Seelen in Allerdale Hall ist nur am Rande von Bedeutung. Eine etwas kunstvollere Einbindung der Gestalten aus dem Jenseits hätte den Film inhaltlich sicher aufgewertet. So fasziniert in erster Linie der scharfe Blick auf die grausamen Auswüchse der Liebe, die Menschen manchmal in den Wahnsinn treiben kann.

Aus filmischer Sicht ist Crimson Peak ein echter Hochgenuss. Schon die ersten Szenen im Buffalo nach der Jahrhundertwende ziehen den Betrachter in ihren Bann. Die Figuren sind in aufwendige Kostüme gekleidet. Und auch ausstattungstechnisch verrät jede einzelne Einstellung große Liebe zum Detail: von maschinellen Miniaturmodellen bis hin zu den unzähligen Motten und Schmetterlingen, die das Anwesen der Sharpes bevölkern. Regelrecht hineingeworfen in die karge Hügellandschaft wirkt das imposante, aber marode Gemäuer, das auf einer Mine erbaut wurde. Überall quillt der rote Lehm hervor, auf den bereits der Titel – Crimson Peak bedeutet so viel wie Karmesingipfel – anspielt. Mit den wiederkehrenden Bildern der farbigen Tonerde setzt del Toro deutliche Akzente, die beim finalen Blutvergießen noch einmal aufgegriffen werden. Erzählerisch mag das romantische Horrordrama ausbaufähig sein, visuell ist es schlichtweg berauschend.
 

Crimson Peak (2015)

Neun Jahre ist es mittlerweile her, dass der Filmemacher Guillermo del Toro mit dem viel gefeierten Mystery-Drama „Pans Labyrinth“ handfesten Grusel verbreitete. Auch wenn er seitdem kein Horrorwerk mehr inszenierte, blieb der mexikanische Kinovisionär dem Genre treu. Als Produzent brachte er unter anderem die gelungenen Ibero-Schocker „Das Waisenhaus“ und „Julia’s Eyes“ mit auf den Weg und war auch am Drehbuch zum eher mittelprächtigen Spukhausstreifen „Don’t Be Afraid of the Dark“ beteiligt.

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Meinungen

Martin Zopick · 19.12.2022

Regisseur Guillermo del Toro (The Shape of Water) ist in seinem Film inhaltlich bis an die Grenze des Zumutbaren gegangen.
Es beginnt mit einem Emanzipationsdrama einer jungen Schriftstellerin Edith (Mia Wasikowska) im Stil einer Jane Austen. Führt weiter zu einer Romanze mit Sir Thomas (Tom Hiddleston) und einem Industriellendrama mit Familienanschluss, wobei jetzt der Titel zu seinem Recht kommt: rote, eisenhaltige Tonerde gilt als ein Stoff mit Zukunft.
Hinter dem sind Sir Thomas und seine Schwester Lucille (Jessica Chastain) her.
Das Ganze endet in einer Zombie Story, in der Tom, Lucille und Edith auf einander einstechen.
Da sind gekonnt Horroreffekte eingebaut neben einer echten einseitigen Lovestory und eine Geschwisterliebe. Das wird im Verlauf des Films scheibchenweise enthüllt, z. B. durch Schreie oder ein Blutgerippe (Ediths Mutter?!). Ediths Vater ist das erste echte Opfer. Der Plot wird daraufhin zu einer Detective Story, in der Dr. McMichael (Charlie Hunnam) eine helfende Rolle spielt, weil er sich in Edith verliebt hatte. Die Beziehung zwischen Tom und Lucille ist anfangs ambivalent, wird später eindeutig: Bigamie. Ein wunderschönes alte Geisterschloss Allerdale Hall bildet das Ambiente und führt zum Einsatz von Gift. Die Assoziation von roter Erde und Blut tut ein Übriges. Das amouröse Geschwisterpärchen entpuppt sich als Erbschleicher, Edith findet Briefe, soll Dokumente unterschreiben.
Das Ende gleicht dem Anfang. Man weiß, dass es wohl Geister geben soll und fühlte sich dennoch äußerst spannend unterhalten.