Cosmos (2015)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein Feuerwerk des Irrsinns

15 Jahre sind eine verdammt lange Zeit. Und das gilt erst recht für das schnelllebige Filmgeschäft, bei dem man schon Terence Malick heißen muss, um nach einigen Filmen eine gefühlte Ewigkeit von der Leinwand zu verschwinden und dann mit voller Kraft und jugendlichem Elan wieder zurückzukehren. Andrzej Zulawski ist auch einer dieser Untergetauchten – oder vielmehr war er das bis zum letzten Sommer, als unvermutet sein neuer Film Cosmos im Wettbewerb des Filmfestivals von Locarno auftauchte.

Wer mit Zulawski vertraut war, stellte dort erfreut fest, dass der Filmemacher in der Zeit seines Fernbleibens von der Leinwand kaum etwas von seinem Esprit und seiner Frische verloren hatte. Wer dem Filmemacher bis dato noch nicht begegnet war, konnte hingegen kaum glauben, dass der Schöpfer dieses Films schon 75 Jahre alt ist, so viel rebellischer Geist und jugendliche Fabulierlust stecken in dieser grellen Farce voller Romantik, Poesie und Absurdität.

Das liegt freilich nicht allein an Zulawski, sondern auch an dem Buch, das diesem Film zugrunde liegt: Cosmos ist die Verfilmung des eigentlich als unverfilmbar geltenden gleichnamigen Romans von Witold Gombrowicz – dieser gleicht in seiner Biografie Zulawski und den anderen Dissidenten der polnischen Nachkriegsgeschichte. Im Buch wie im Film geht es um zwei junge Studenten, die sich in einer Pension auf dem Land einmieten, um der Enge der Stadt zu entfliehen. Die Familie, bei der sie untergekommen sind, ist auf seltsame und betörende Weise exzentrisch bis exaltiert und so entspinnt sich ein Reigen, der die Verhältnisse und Beziehungen zum Wanken und zum Tanzen bringt.

Es ist eine sehr seltsame und zugleich ungemein anziehende Mixtur, die Zulawski in seinem Film darbietet – er wirkt gleichermaßen ernst wie heiter, tragisch wie ironisch, ist mal großes Drama, dann wieder zarte Liebesgeschichte, exaltierte Farce und derbe Parodie. Unentwegt wird hier ge-sprochen und manchmal auch gequatscht, zarte Poesie und dadaistische Wortneuschöpfungen wie „Steven Spielbleurgh“ (dargeboten vor allem von  Jean-François Balmer, dem Vater der Gastfamilie) wechseln sich hier ebenso schnell ab wie kleine und große Mysterien, die aus der ländlichen Beinahe-Idylle so etwas wie großes Welttheater machen, das zugleich – wie auch der Roman – immer wieder selbstreferentiell die eigene Künstlichkeit und das Gemacht-werden durchscheinen lässt.

Zulawski gehörte einst der wilden Generation junger polnischer Regisseure an, die aufgrund ihrer Freizügigkeit und ihres rebellischen Geistes schnell in Konflikt mit dem kommunistischen Regime gerieten und deshalb den Weg gen Westen antraten. Roman Polanski war so einer, Walerian Borowczyk ein weiterer und sicherlich der berüchtigtste unter den Emigranten. Andrzej Zulawskis Weg war wechselvoller: Er erreichte nicht die Prominenz von Polanski und war andererseits nicht ganz so skandalumwittert wie Borowczyk, sondern vielmehr im Feld zwischen diesen beiden Antipoden angesiedelt. Dennoch sorgte sein mit einem César ausgezeichneter Film Nachtblende mit Romy Schneider in der Hauptrolle für einen handfesten Skandal in Frankreich, wegen seiner über-aus freizügigen und exaltierten Inszenierung, die irgendwo im Niemandsland zwischen wüster Kolportage und verfeinertem Barock-Exzess angesiedelt war. Es folgten Possession mit Isabelle Adjani und Sam Neill, vielleicht einer der schönsten, mit Sicherheit aber einer der durchgedrehtesten Filme über West-Berlin überhaupt, dann 1984 mit La femme publique der nächste Skandalfilm und 1989 Mes nuits sont plus belles que vos jours. Bis zum Jahre 2000 kamen noch drei weitere Filme (je-weils mit Sophie Marceau in der Hauptrolle, die mit Zulawski 17 Jahre lang liiert war) – und dann brach die Filmkarriere jäh ab.

Mit seinem neuen Werk zeigt Zulawski, dass er trotz der langen Pause nichts von seinem Biss verloren hat – die Personen, die er hier versammelt, sind immer noch sexy, seltsam und stehen ständig unter Hochspannung, die Cosmos den Anschein eines hysterischen Tagtraumes gibt, an dem jeder Psychoanalytiker und jeder Surrealist ihre helle Freude hätten. Ein wahrlich irrer Spaß!

Cosmos (2015)

Mit großer Spannung wird beim diesjährigen Filmfestival in Locarno Andrzej Zulawskis neuer Film „Cosmos“ erwartet, denn es ist der erste Film seit 15 Jahren, in denen es um das einstige Wunderkind des polnischen Kinos recht ruhig geworden war. In „Cosmos“, der auf einer Geschichte von Witold Gombrowicz basiert, geht es um zwei Freunde, die in einer Pension irgendwo auf dem Lande übernachten und die sich mit rätselhaften Zeichen und Erscheinungen konfrontiert sehen.

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Meinungen

Bacall · 02.04.2016

Weiß jemand von Euch, ob "Cosmos" auch in Deutschland in die Kinos kommen wird?