Concrete Night

Albtraum Helsinki

Concrete Night beginnt mit einem apokalyptischen Albtraum, einstürzenden Brücken und Wassermassen. Hauptfigur Simo (Johannes Brotherus ) scheint zu ertrinken, doch bei aller Bedrohlichkeit verströmt die Inszenierung auch etwas Beruhigendes. Aus der Geborgenheit der Wassermassen erwacht Simo in der heruntergekommenen Wohnung, die er mit seiner alleinstehenden Mutter (Anneli Karppinen) und dem älteren Bruder teilt. Ilkka (Jari Virman) stehen 277 Tage Haft bevor. Es ist sein letzter Tag in Freiheit, weshalb die Mutter darauf besteht, dass Simo ihm in dieser schweren Zeit Gesellschaft leistet. Gemeinsam ziehen die beiden durchs Nachtleben Helsinkis.
Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Pirkko Saisio erzählt Pirjo Honkasalon ihre Geschichte in düsteren Schwarzweiß-Aufnahmen. Insbesondere in Simos Wohnung sucht die Kamera von Peter Flinckenberg stets große Nähe zu den Protagonisten, wodurch ein Gefühl der Enge und Bedrängnis entsteht. Auch die geschlossenen Fenster scheinen Simo einzusperren und wann immer er eines von ihnen öffnet, ist dem 14 jährigen Jungen das kurze Gefühl von Befreiung deutlich anzusehen.

Die apokalyptische Stimmung der Eingangsszene zieht sich durch den gesamten Film, der von der ersten bis zur letzten Minute albtraumhaft bleibt. Ilkka hat nicht nur ein diabolisch-verschlossenes Gesicht, auch seine Äußerungen sind nihilistisch. Er spricht vom nahenden Untergang der Menschheit durch eine nukleare Katastrophe, die nur Skorpione überleben könnten, und der Hoffnung, die der größte Fehler des Menschen sei, weil sie seiner Freiheit im Wege stünde. Simo hängt an Ilkkas Lippen, nimmt die Lehrsätze des älteren Bruders in sich auf und eifert dessen aggressiver Attitüde nach. Doch es liegt etwas Verzweifeltes in diesen Dominanz-Gebärden, eine pubertäre Orientierungslosigkeit und Suche nach der eigenen Identität. Es ist diese Unsicherheit, die ihm schließlich zum Verhängnis wird und die düstere Prophezeiung des Anfangs real werden lässt.

Der Traum, der Concrete Night einleitet, ist tatsächlich prophetischer Natur. Statt Elemente der vorgehenden Erlebnisse des Träumenden zu verarbeiten, scheint diese Vision sich vielmehr anhaltend in der nun folgenden Realität widerzuspiegeln. Läge über Honkasalos Film nicht ohnehin der Schatten des Untergangs, würden spätestens diese Zeichen das unheilvolle Ende ankündigen. Doch was hat all dies zu bedeuten?

Insbesondere die Dialoge lassen eine tiefere Bedeutungsebene erahnen, die dem Zuschauer die Zusammenhänge und Hintergründe der Geschichte offenbaren könnte. Doch das Versprechen einer Erklärung wird nicht eingehalten. Stattdessen stapeln sich die Fragen nach den Absichten der Figuren, dem Sinn ihrer aufgeblasenen Aussagen und der Abgrenzung von Traum- und Realitätsebene. Es ist nicht einfach, aus Concrete Night schlau zu werden. Das triste Setting in den Beton-Bauten eines ärmlichen Wohnviertels in Helsinki und die sich unablässig fortschreitende, letztlich aber hohle Bedeutungsschwangerschaft der Inszenierung schmälern den Filmgenuss beträchtlich. Pirjo Honkasalon gönnt dem Publikum keine Erholung, kein Öffnen des Fensters, um Licht und Hoffnung in diese düstere Welt einzulassen. Hierdurch bleibt ihr Film nicht nur kryptisch, sondern auch eindimensional. Der apokalyptischen Stimmung fehlt ein erlösendes Gegenüber.

Ilkka glaubt, dass selbst die Skorpione, die den Untergang überstehen, sich schließlich selbst das Leben nehmen werden. Nach 96 Minuten tief-depressiven Kinos in Concrete Night scheint dies sehr wahrscheinlich.

Sophie Charlotte Rieger

Concrete Night

„Concrete Night“ beginnt mit einem apokalyptischen Albtraum, einstürzenden Brücken und Wassermassen. Hauptfigur Simo (Johannes Brotherus ) scheint zu ertrinken, doch bei aller Bedrohlichkeit verströmt die Inszenierung auch etwas Beruhigendes. Aus der Geborgenheit der Wassermassen erwacht Simo in der heruntergekommenen Wohnung, die er mit seiner alleinstehenden Mutter (Anneli Karppinen) und dem älteren Bruder teilt.
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