Collide

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Auf Kollisionskurs

In Eran Creevys Mix aus Liebes-, Gangster- und Actionfilm kollidieren nicht nur zahlreiche Fahrzeuge miteinander, sondern auch uralte Klischees mit hochmoderner Filmtechnik. Leider passen Geschlechterrollen wie aus den Fifties, Bösewichtsinterpretationen wie aus den Eighties und eine State-of-the-Art-Inszenierung nicht so perfekt zusammen, wie sich Creevy und sein Team das möglicherweise gedacht haben.
Collide erzählt von dem jungen US-Amerikaner Casey (Nicholas Hoult), der seiner Heimat den Rücken gekehrt hat, nachdem er wegen Autodiebstahls in Schwierigkeiten geraten war. In Köln arbeitet er für den türkischstämmigen Drogendealer Geran (Ben Kingsley) und lernt auf einem Rave die US-Barkeeperin Juliette (Felicity Jones) kennen, die ihr Land verlassen hat, um ihren Eltern zu entkommen. Casey zeigt sich rasch bereit, für Juliette sein kriminelles Dasein zu beenden. Die beiden werden ein Paar – doch Casey muss jäh erfahren, dass seine Freundin schwer krank ist und eine Nierentransplantation benötigt. Um Geld aufzutreiben, will er in Gerans Auftrag mit seinem Kumpel Matthias (Marwan Kenzari) einen mit Kokain beladenen LKW des deutsch-britischen Geschäftsmanns Hagen Kahl (Anthony Hopkins) stehlen. Natürlich läuft nicht alles nach Plan, weshalb Casey bald in wechselnden Vehikeln durch Nordrhein-Westfalen rast und gejagt wird.

„How far would you go for the one you love?“ lautet die Tagline des Films. Durchaus keine uninteressante Frage. Bedauerlich ist aber, dass Creevy und sein Co-Autor F. Scott Frazier ein derart abgedroschenes und krudes Szenario entwerfen, um ihr nachzugehen. Felicity Jones (Die Entdeckung der Unendlichkeit) darf als Juliette zwar sehr cool und verwegen aussehen – so handeln darf jedoch ausschließlich ihr Leinwandpartner Nicholas Hoult (Mad Max: Fury Road) als Held der Geschichte. In einigen Passagen ist Juliette lediglich als Mut machende, engelsgleiche Traumgestalt präsent. In dieser Beziehung war man in ähnlich gelagerten Produktionen wie der Fast & Furious-Reihe oder Need for Speed mit den von Michelle Rodríguez beziehungsweise Imogen Poots verkörperten Frauenfiguren schon mal ein gutes Stück weiter. Immerhin kann Jones hier demonstrieren, dass man mit der Beherrschung seines Handwerks sogar der undankbarsten Rolle so etwas wie Tiefe abzutrotzen vermag. Für solche Leistungen müsste es eigentlich einen eigenen Award geben: Performances, die aus dem Nichts eines Drehbuchs qua Schauspielkunst etwas Ansehnliches erschaffen. Jones gelingt dies etwa, indem sie clever zwischen Ernsthaftigkeit und Augenzwinkern pendelt. Wer in einer Paarszene auf die Frage „Was hast du so getrieben?“ mit der Dialogzeile „Dich vermisst!“ antworten muss und dabei nicht wie die lachhafte Femme fragile anmutet, die das Drehbuch offenbar zu konstruieren versucht, verfügt fraglos über Talent. An Jones‘ Seite agiert auch Hoult engagierter, als es das Skript von ihm verlangen würde. Der drahtige Brite ist als junger Mann, der sich nicht aus Überzeugung, sondern purer Verzweiflung in Gefahr begibt, eine recht willkommene Abwechslung zu Action-Stars wie Vin Diesel, Jason Statham oder Dwayne Johnson, die bei ihren Auftritten meist souverän ihre Muskeln spielen lassen. Mehrmals werden im Laufe der Handlung Parallelen zwischen Casey und Juliette und Romeo und Julia gezogen; dabei übersehen Creevy und Frazier allerdings, dass das Stück von zwei Menschen handelt, die in ihrem Gefühlsrausch beide bereit sind, für ihr Gegenüber alles aufzugeben und sich dabei (tragischerweise) gegenseitig mit ihren Liebesgesten überbieten. Mit der Aufteilung in einen aktiven und einen gänzlich passiven Part könnte Collide daher nicht weiter vom Liebesnarrativ der Shakespeare-Tragödie entfernt sein.

Die Kino-Veteranen Ben Kingsley und Anthony Hopkins müssen indes wohl niemandem mehr etwas beweisen – und tun es auch nicht. Ihre schurkischen Darstellungen sind ‚Dienst nach Vorschrift‘. Kingsley hat als Zuhälter, Rennpferd-Fetischist und Drogendealer mit Hang zu Goldtönen, Porno-Sonnenbrillen und einer Vorliebe für trashige Filme sowie schlechte Musik eine Karikatur zu mimen, der nur mit hemmungslosem Overacting beizukommen ist. In einigen Sequenzen mit Kingsley driftet Collide beinahe in die Gefilde der Drogen-Komödie ab. Hopkins gibt wiederum den kultiviert-diabolischen Businessman im feinen Zwirn, der theatralisch Weltliteratur rezitiert, während er in der Süddeutschen Zeitung blättert. Das ist hinreichend kurios, um nicht langweilig zu werden, kann aber nicht wirklich überzeugen – zumal sich beide Figuren durch diverse Unvorsichtigkeiten als ernst zu nehmende, bedrohliche Antagonisten disqualifizieren.

Eindrücklicher sind gewiss die Stunts, die den Mittelteil des komplett in Nordrhein-Westfalen gedrehten Films beherrschen. Positiv anmerken lässt sich zudem, dass deutsche Landstraßen sowie von Fachwerkhaus-Behaglichkeit erfüllte Gassen und zur Raserei einladende Autobahnen als Schauplätze einer internationalen Großproduktion sowie als Austragungsorte für Verfolgungsjagden angenehm unverbraucht wirken und in Kombination mit dem treibenden Elektro-Score von Ilan Eshkeri etwas Einnehmendes haben. Als kinetisches Spektakel und reines Unterhaltungskino ist Collide somit passabel; als Gesamtwerk mit seinen Gender- und Erzählstereotypen aber dennoch ein ziemliches Ärgernis.

Collide

In Eran Creevys Mix aus Liebes-, Gangster- und Actionfilm kollidieren nicht nur zahlreiche Fahrzeuge miteinander, sondern auch uralte Klischees mit hochmoderner Filmtechnik. Leider passen Geschlechterrollen wie aus den Fifties, Bösewichtsinterpretationen wie aus den Eighties und eine State-of-the-Art-Inszenierung nicht so perfekt zusammen, wie sich Creevy und sein Team das möglicherweise gedacht haben.
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