Closed Curtain

Eine Filmkritik von Festivalkritik Berlinale 2013 von Joachim Kurz

"He ought to be here"

Es ist selten, dass schon vor dem Betreten des Berlinale-Palastes auf den Film eingestimmt wird. Vor der Vorführung von Jafar Panahis „Closed Curtain“ / „Pardé“ aber konnte man das Bild des Regisseurs gar nicht übersehen. „He ought to be here“ stand dort neben einem Portrait Panahis lesen. Der Regisseur darf nicht aus seiner Heimat ausreisen. Und seinen Film dürfte es eigentlich gar nicht geben, denn gegen Panahi ist ein zwanzigjähriges Berufs- und Reiseverbot verhängt worden. Umso gespannter musste man sein auf das, was Panahi unter diesen widrigen Umständen auf die Leinwand gebracht hat.
Ein Haus am Meer: Ein Mann (der Co-Regisseur Kambozyia Partovi) kommt an, bepackt mit einer Reisetasche, aus der er einen Hund befreit. Eigentlich eine ganz normale Ankunft, doch hier ist etwas entschieden merkwürdig. Der Hund darf das Haus nicht verlassen und auch der Mann schirmt sich gegen die Außenwelt ab. Statt Licht in die Räume zu lassen, schließt er alle Vorhänge, hängt gar noch schwarze Stoffbahnen auf, um jeglichen Schimmer von draußen und von drinnen abzuschirmen. Man ahnt schnell, dass der Mann sich vor den Behörden verbirgt, doch es ist nicht nur er allein — auch der Hund namens „Boy“ ist ein Verfolgter: Weil im Islam Hunde als unreine Tiere gelten, ist ihre Haltung im Iran verboten, werden sie gejagt und getötet, wie wir (und der Hund, der friedlich auf dem Sofa ruht) aus den Fernsehnachrichten erfahren. Dann, als der Mann, der offensichtlich ein verfolgter Schriftsteller ist, das Hundeklo draußen entsorgen will, stehen plötzlich ein weiterer Mann und eine Frau (Maryam Moghahdam) vor ihm, auch sie sind Flüchtlinge wie er — angeblich Bruder und Schwester, die auf einer Party waren und Alkohol getrunken haben, weswegen sie nun von den Behörden gejagt werden wie die Hunde, die wir zuvor in den TV-Nachrichten gesehen haben. Widerwillig nimmt der Schriftsteller die beiden auf, dann verschwindet der Bruder aus dem Haus, um die Flucht zu organisieren, später wird auch die Schwester weggehen…

So weit, so gut — bis zu diesem Zeitpunkt wähnt man sich noch in einem zwar ein wenig verrätselten, aber dennoch klar fiktionalen Spielfilm, der einige Parallelen zu Jafar Panahis eigenem Lebensweg aufweist. Dann aber geschieht etwas, was man sonst in Spielfilm allenfalls in Form eines Cameo-Auftritts (Hitchcock war ja ein Meister darin) sieht: Plötzlich steht Jafar Panahi vor uns — der Film kippt vom Fiktionalen ins Dokumentar-Essayistische. Der Schriftsteller, der uns vorher noch als Alter Ego des Filmemachers erschien, löst sich ab, wird zur eigenständigen Figur, die plötzlich von der Figur abgelöst wird, die sie verkörpern soll. Nachdenklich geht Panahi durch das Haus, betrachtet die Plakate seiner Filme, die dort zu sehen sind, verhängt sie mit Tüchern und ist mit den Personen konfrontiert, die er erschaffen hat. Am Ende verlassen allesamt das Haus, sind die Fenster wieder offen und wir sehen, wie Panahi sein Auto besteigt, den Schriftsteller mitnimmt und davonfährt.

Eindrücklich beschreibt Closed Curtain, was es bedeutet, einen Film unter Umständen zu drehen, wie dieser entstanden ist — ganz im Geheimen, stets die Grenze zur Illegalität eines totalitären Regimes mit vollem Bewusstsein der damit verbundenen Risiken überschreitend. So viel persönlichen und künstlerischen Mut sah man jedenfalls bisher nicht im Wettbewerb der Berlinale. Gegen die Leistung Panahis, gegen seinen Willen zum Filmemachen müssen die anderen Filme des Festivals eigentlich zwangsläufig verblassen. Umso unverständlicher und ignoranter, dass der bisweilen etwas zu verdrechselte, aber stets kluge Film nach dem Ende der Pressevorführung mit einigen Buhrufen bedacht wurde. Eine Reaktion, über die man nur den Kopf schütteln kann.

(Festivalkritik Berlinale 2013 von Joachim Kurz)

Closed Curtain

Es ist selten, dass schon vor dem Betreten des Berlinale-Palastes auf den Film eingestimmt wird. Vor der Vorführung von Jafar Panahis „Closed Curtain“ / „Pardé“ aber konnte man das Bild des Regisseurs gar nicht übersehen. „He ought to be here“ stand dort neben einem Portrait Panahis lesen. Der Regisseur darf nicht aus seiner Heimat ausreisen. Und seinen Film dürfte es eigentlich gar nicht geben, denn gegen Panahi ist ein zwanzigjähriges Berufs- und Reiseverbot verhängt worden.
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