Chinese zum Mitnehmen

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Mittwoch, 18. Juni 2014, ARTE, 20:15 Uhr

Wir alle kennen diese skurrilen Geschichten über seltsame Unfälle oder Missgeschicke, die man in den Zeitungen gerne in den Rubriken „Vermischtes“, „Aus aller Welt“ oder „Panorama“ liest. Ehrlich gesagt sind dies jene Meldungen, die einen angesichts der Fülle an schlechten Nachrichten trotzdem mit einem Lächeln auf dem Gesicht durch den Tag begleiten. Eine der schönsten und bekanntesten dieser true life-Stories war sicherlich jene über eine Kuh, die vom Himmel herabstürzte und ein japanisches Fischerboot versenkte. Genau diese Geschichte bildet auch in abgewandelter Form den Ausgangspunkt zu Sebastian Borenszteins Culture Clash Komödie Chinese zum Mitnehmen. Dort allerdings trifft es kein japanisches Fischerboot, sondern einen chinesischen Kahn, ein „love boat“, auf dem der einfache Arbeiter Jun (Ignacio Huang) seiner Verlobten gerade einen Heiratsantrag machen will, wozu es aber aufgrund des Rindviechs nicht mehr kommt. Schockiert macht sich der Waise auf den Weg nach Argentinien, um in den Armen seines Onkels Trost zu finden. Schließlich ist ihm genau das widerfahren, was bekanntermaßen selbst die furchtlosen Gallier bei Asterix am meisten fürchteten: Ihm ist der Himmel auf den Kopf gefallen – und das im gar nicht mal so übertragenen Sinne.
Im fernen Argentinien hat Jun dann aber doch Glück – auch wenn es anfangs nicht wirklich danach aussieht. Aus einem Taxi geworfen, purzelt er ausgerechnet dem missmutigen Eisenwarenhändler Roberto (Ricardo Darín) vor die Füße. Weil der freilich kein Chinesisch spricht und Jun kein Wort Spanisch, ist das mit der Kommunikation so eine Sache. Dass sich Roberto dennoch des vollkommen Hilflosen annimmt und diesen bei sich beherbergt, ist ein erstes kleines Wunder. Dass die beiden trotz der quasi nicht existenten Hilfsbereitschaft der chinesischen Botschaft eine Spur des Onkels finden, ist das zweite. Dass durch diese schräge Begegnung Robertos freudloses und von Schrullen und Marotten geprägtes Dasein eine entscheidende Wendung erfährt, das dritte. Und dass ausgerechnet Roberto, der diese skurrilen Geschichten aus den Zeitungen sammelt, mit dem tragischen Helden einer solchen Episode zusammentrifft, ist zwar mehr als unwahrscheinlich – aber andererseits: Ist das Leben nicht manchmal genau so? Voller schrägem und hinterhältigem Witz und mit großer Leichtigkeit die unmöglichsten Lebensfäden zusammenspinnend?

Mit lakonischem Witz und viel Sinn für die Absurditäten des Lebens hat Sebastián Borensztein seinen Film Chinese zum Mitnehmen gewürzt, der irgendwie typisch südamerikanisch ist und der an manchen Stellen fast schon an Aki Kaurismäkis nostalgische und bittersüße Beschreibungen des Lebens der einfachen Leute erinnert. Dazu passt auch die Botschaft des Films, den man durchaus als Plädoyer für ein vorurteilsfreies Leben auffassen kann, als Aufforderung, die eigenen Gewohnheiten auf den Prüfstand zu stellen und vor allem als Huldigung an die (in diesem Fall anfangs nahezu unmögliche) Kommunikation als verbindenden Faktor von Menschen verschiedenster Herkunft. Wie die Begegnung von Jun und Roberto beweist, ist es nämlich gar nicht so schwer, eine gemeinsame (Sprach)Ebene zu finden – selbst wenn man aus verschiedenen Ecken der Welt kommt.

Dass Chinese zum Mitnehmen am Ende eine recht aufgesetzte, aber gottlob nur nebensächliche Wendung ins Tragische bekommt, wirkt angesichts der Fülle an Ideen zwar recht konstruiert, dem Charme dieses Films, der das Zeug zu einer kleinen Kinoüberraschung mit einigen Auszeichnungen hatte, tut dies aber insgesamt keinen Abbruch.

Chinese zum Mitnehmen

Wir alle kennen diese skurrilen Geschichten über seltsame Unfälle oder Missgeschicke, die man in den Zeitungen gerne in den Rubriken „Vermischtes“, „Aus aller Welt“ oder „Panorama“ liest. Ehrlich gesagt sind dies jene Meldungen, die einen angesichts der Fülle an schlechten Nachrichten trotzdem mit einem Lächeln auf dem Gesicht durch den Tag begleiten.
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