Chi l'ha visto - Wo bist Du?

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Auf der Suche nach den eigenen Wurzeln

Wer bin ich, woher komme ich, was hat mich geprägt? Es sind Fragen wie diese, denen Claudia Rorarius in ihrem dokumentarisch anmutenden Spielfilm Chi l’ha visto – Wo bist du? mit einer ganzen Reihe von scheinbaren Zufallsbegegnungen ihres Hauptdarstellers Gianni Meurer nachspürt. Der heißt auch im Film Gianni und die Biographien von Filmfigur und Hauptdarsteller weisen nicht nur bezüglich des Namens erhebliche Ähnlichkeiten auf. Diese Überlappungen von Fiktion und Realität bilden sowohl inhaltlich wie auch formal das zentrale Thema des Films, dem man bei aller Raffinesse in der Verschränkung von Dichtung und Wahrheit den Debütcharakter deutlich anmerkt.
Sieben Jahre alt war Gianni, als sein italienischer Vater von einem Tag auf den anderen von der Bildfläche verschwand, der Junge blieb zurück bei seiner deutschen Mutter. Nun, etliche Jahre später, macht sich Gianni auf die Suche nach seinem Papa und fährt blindlings mit dem Auto von Berlin ins ferne Italien, jenen Sehnsuchtsort der Deutschen, der für ihn vor allem den Wunsch nach verloren geglaubter Geborgenheit und Identität bedeutet. Mit entwaffnender Naivität, ein paar Briefen und einem natürlich nicht gerade aktuellen Bild seines Vaters begibt sich der 31 Jahre alte Gianni auf die Reise, an deren Ende er ein anderer sein wird als zuvor. Dafür sorgt nicht nur die Begegnung mit dem Anhalter Paul (Paul Kominek), sondern auch zahlreiche andere Zufallsbekanntschaften. Und schließlich gibt es da noch die TV-Show Chi l’ha visto im italienischen Fernsehen, die Giannis letzte Hoffnung darstellt. Oder sucht er vielleicht doch nach etwas ganz Anderem?

Man sieht den Bildern von Claudia Rorarius an, dass die Regisseurin zuvor als Fotografin gearbeitet hat. Trotz ihres dokumentarischen Ansatzes gelingen ihr immer wieder schöne und sehenswerte Momentaufnahmen, die dem Film in manchen Augenblicken einen beinahe lyrischen Unterton geben, der sich allerdings mit dem authentischen Look eher ein wenig reibt. Viele der Szenen scheinen improvisiert zu sein, einen roten Faden sucht man über weite Strecken des Films vergebens. So bleibt manches in diesem Film unfertig, vage, fragmentarisch und es ist vor allem der sympathischen, wenngleich nicht immer restlos überzeugenden Art Gianni Meurers zu verdanken, dass man dennoch dranbleibt an diesem sperrigen kleinen Film, der am Ende beinahe so viele Fragen offen lässt wie zu Beginn der Reise – zumindest für den Zuschauer.

Neben der fragmentarischen Story und dem eigenwilligen Stil gibt es noch eine weitere Besonderheit an Claudia Rorarius‘ Langfilmdebüt: Finanziert wurde der Kinostart nicht durch einen wagemutigen Verleiher, der an das Projekt glaubte oder eine Vertriebsunterstützung durch eine Förderinstitution, sondern durch eine Crowdfunding-Initiative der Filmemacherin selbst, die für ihren Film viel Lob auf Festivals erhalten hatte. Weil viele deutsche Filme, vor allem jene kleineren Kalibers, öfters zwar bei der Produktion, nicht aber beim Vertrieb unterstützt werden, ist das Beispiel von Chi l’ha visto durchaus ein Modell für die Zukunft von Independent-Produktionen.

Chi l'ha visto - Wo bist Du?

Wer bin ich, woher komme ich, was hat mich geprägt? Es sind Fragen wie diese, denen Claudia Rorarius in ihrem dokumentarisch anmutenden Spielfilm „Chi l’ha visto – Wo bist du?“ mit einer ganzen Reihe von scheinbaren Zufallsbegegnungen ihres Hauptdarstellers Gianni Meurer nachspürt.
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