Chappie

Eine Filmkritik von Lida Bach

Nummer 22 lebt

Was dem Titel nach eine abendfüllende Hundefutterwerbung sein könnte, ist tatsächlich Neill Blomkamps filmische Perspektive auf zwei altbewährte Science-Fiction-Motive: der eigenständig denkenden, fühlenden Maschine und der Exekutive-Androiden. Zweiter Thematik widmete sich der District 9-Regisseur bereits 2004 in seinem Spielfilmdebüt Tetra Vaal.

Jener Kurzfilm zeigt im Stil eines Demonstrationsvideos in den Straßen von Johannesburg einen Polizei-Roboter, der äußerlich den elektronischen Einsatzkräften in Chappie gleicht. Das entscheidende Gimmick fehlt diesem Prototyp des Helden von Blomkamps aktueller Sci-Fi-Action-Comedy allerdings: ein Bewusstsein. „Das ist es, was dich besonders macht“, erklärt Ghetto-Gangsterbraut Yo-Landi (die im Soundtrack vertretene Musikerin Yolandi Visser) ihrem frisch adoptierten Ziehkind Chappie (Stimme: Sharlto Copley). Der Hauptcharakter gehörte in nicht zu ferner Zukunft in Südafrikas kriminalitätsgeplagter Hauptstadt zur Androiden-Polizeieinheit, den sogenannten Scouts. Bei einem Einsatz gerät Nummer 22, wie Chappie bis dato heißt, in ein Feuergefecht zwischen Yo-Landis übergeschnappten Gang-Kumpanen Ninja (Rapper Ninja alias Watkin Tudor Jones) und Amerika (Jose Pablo Cantillo) und dem noch durchgeknallteren Drogenbaron Hippo (Brandon Auret). Während das prollige Gauner-Trio im Tumult entkommt, verpasst Hippo Nummer 22 ein fatales Geschoß dahin, wo bei einem Menschen das Herz wäre. Nummer 22 ist ausgezählt und wird vom Herstellerkonzern Tetra Vaal ausrangiert.

Das ambitionierte Technikgenie Deon (Dev Patel) rettet den defekten Scout vor der Schrottpresse. Gegen die Anordnung von Firmenchefin Bradley (Sigourney Weaver) will Deon für Tetra Vaal einen Androiden mit Bewusstsein und musischen Fähigkeiten erschaffen: „Er könnte Gedichte schreiben!“ Wozu das jemandem nutzen soll, insbesondere einem Waffenlieferanten, kann Deon weder seiner Chefin, noch dem Kinopublikum überzeugend vermitteln. Blomkamp und Co-Drehbuchautorin Terri Tatchell geben Deon, dem Erfinder und Programmierer der Androiden, keine schlüssige Motivation für sein Tun. Treibt ihn nerdige Neugier? Hegt er, wie es sein Name als Wink mit dem Zaunpfahl impliziert, gottgleichen Größenwahn? Ist er daheim, wo er umgeben von putzigen Haushaltsrobotern tüftelt, schlicht einsam und wünscht sich die bewundernde Zuneigung eines mechanischen Kindes? Letzteres scheint jedenfalls zutreffend für Yo-Landi, die Deon mit ihren Gefährten kidnappt. Damit die chaotischen Überfälle der Gang zukünftig besser laufen, soll der Erfinder der Scouts diese ausschalten. Da das nicht ohne Weiteres geht, bietet Deon seinen Entführern an, Nummer 22 für sie zu reaktivieren: als Sonderanfertigung inklusive Persönlichkeit.

Der Power-Ranger-Klon mit der Vertrauensseligkeit von Nummer 5 und dem naiven Idealismus von Wall-E wird „Chappie“ getauft und lernt mit computergleicher Geschwindigkeit alles, was man ihm beibringt. Dumm nur, dass sich mit „Mommy“ Yo-Landi, „Daddy“ Ninja und dem „Schöpfer“ Deon gleich drei Leute erziehungsberechtigt fühlen und alle es wie wohl die meisten Eltern hassen, wenn andere ihnen ins Erziehungskonzept reinreden. Deon denkt an Chappis Geistes-, Yo-Landi an seine Herzensbildung und Ninja vor allem an Gangster-Posen und Ballern. Welches Kind wäre da nicht in seiner Wertorientierung verwirrt? Mit Fragen nach Sinn und Ethik oder auch nur narrativer Logik hält sich der Plot jedoch gar nicht erst auf. Auf dem Filmposter steht ja noch der Name Hugh Jackman, der als skrupelloser Soldat Moore für Tetra Vaal sein eigenes Kampfmonstrum einsetzen will. Neben den wirren Action-Szenen bleiben philosophische Aspekte der Story auf der Strecke, genauso wie die Charakterisierung. Gerade an der Individualität, die ihn ausmachen sollte, fehlt es Chappie. Er erinnert nicht nur dem Namen nach eher an eine menschengroße Version von Aibo, dem Roboter-Hund. Letztendlich sind sowohl der Titelprotagonist als auch der Kinofilm lediglich Nachkonstruktionen bekannterer Modelle, die allesamt besser funktionieren.
 

Chappie

Was dem Titel nach eine abendfüllende Hundefutterwerbung sein könnte, ist tatsächlich Neill Blomkamps filmische Perspektive auf zwei altbewährte Science-Fiction-Motive: der eigenständig denkenden, fühlenden Maschine und der Exekutive-Androiden. Der zweiten Thematik widmete sich der „District 9“-Regisseur bereits 2004 in seinem Spielfilmdebüt „Tetra Vaal“.

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Meinungen

Lilalu · 13.06.2020

Habe den Film mit meinem 12 jährigen Kind geschaut. Die Altersfreigabe ist nicht nachvollziehbar! Es wird viel getötet, gequält, man sieht viel Blut, einer wird sogar zerquetscht und in zwei teile zerrissen.