Carne de perro

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Distanzierte Vergangenheitsbewältigung

Er prügelt auf Wände ein, hält dann seine Hand minuten-, vielleicht stundenlang unter Wasser. Steht ebenso lang unter der Dusche, hat Panikattacken, atmet immer wieder schwer und muss dann von einer Minute auf die nächste etwas trinken, sonst trocknet er innerlich aus. Er verbrennt zunächst seinen Hund und umsorgt ihn sodann fürsorglich und voller Liebe, bis dieser unter Qualen stirbt. Carne de perro (dt. Hundefleisch) von Fernando Guzzoni zeigt sichtbar die qualvollen Schmerzen eines Mannes, der an seiner eigenen Vergangenheit leidet. Der Film bleibt jedoch ein Portrait von außen und hat an vielen Stellen — trotz der extremen Nahaufnahmen der Figur — eine zu große Distanz: zum Innern der Figur, aber auch zum (politischen) Geschehen, so dass die dargestellte Gegenwart (und gerade für ein ausländisches Publikum) nur schwer zu verstehen ist.
Alejandro (Alejandro Goic) hat unter General Pinochet als Folterer gearbeitet und damit — auf wohl gräuliche Weise — die Diktatur mit unterstützt. Zehn Jahre später holt ihn diese Vergangenheit schonungslos ein: Sein Taxi geht kaputt, seine Familie ist ohnehin in die Brüche gegangen, ein ehemaliger Kollege begeht Selbstmord. Und plötzlich ist alle Ablenkung weg, die Schuldgefühle brechen durch, und Alejandro weiß nicht mehr, was er mit seinem Leben noch anfangen, wie er es leben soll. Er sucht nach seinem Platz in einer Welt, die sich für ihn so radikal geändert hat, und er sucht nach Hilfe und Wegen der Bewältigung.

Carne de perro ist die Momentaufnahme in einem Leben, das schon lange nicht mehr in den richtigen Bahnen läuft. In medias res setzt der Film ein, und hört auch fast ebenso auf — kurz, nachdem Alejandro in einer sektenähnlichen Religionsgemeinschaft ein wenig Halt gefunden zu haben scheint. Wie es zur Aufnahme in die Gemeinde kommt, wird aber ebenso wenig erklärt, wie das, wie Alejandros Alltag während der Pinochet-Zeit ausgesehen und welche Erlebnisse sein Trauma in Gang gesetzt haben, wie seine Ehe zerbrochen ist, wie seine schon körperlich spürbare Depression begonnen hat. Guzzoni deutet vieles an und lässt damit viel Interpretationsspielraum, zu viel allerdings, um eine verständliche Geschichte zu erzählen und das Schicksal seines Protagonisten nachvollziehen zu können.

Alejandro Goic hat 1998 in Gringuito von Sergio Castilla einen überzeugten Exil-Heimkehrer und Gegner des Pinochet-Regimes gespielt, der sich nur zögerlich und letztendlich durch äußere Geschehnisse mit seinen pinochetista-Schwiegereltern arrangiert. Nun verkörpert er ebenso glaubwürdig die Täterseite und macht deutlich, wie schwer das einstige Handeln die Psyche eines Menschen belasten kann, egal ob es von einem Teil der Gesellschaft durchaus noch gerechtfertigt wird. Sein Schauspiel ist — trotz aller Mängel der Geschichte — beeindruckend, fast eine Studie der Schuld und des Leidens an den eigenen Gräueltaten.

Und deshalb ist Carne de perro auch — als erster Film, der sich auf die Auseinandersetzung mit der Täterseite konzentriert — wichtig für das Filmland Chile, dessen Filmschaffen meist die Opfer des Militärregimes im Fokus hat, den Gegnern Pinochets eine Stimme gibt und die linke Hälfte der Gesellschaft repräsentiert, obwohl das Land immer noch gespalten ist zwischen Links und Rechts, zwischen Pinochet-Anhängern und -Widersachern. Schade, dass es bei bloßen Andeutungen bleibt, aber mehr ist vielleicht (noch) nicht möglich.

Carne de perro

Er prügelt auf Wände ein, hält dann seine Hand minuten-, vielleicht stundenlang unter Wasser. Steht ebenso lang unter der Dusche, hat Panikattacken, atmet immer wieder schwer und muss dann von einer Minute auf die nächste etwas trinken, sonst trocknet er innerlich aus. Er verbrennt zunächst seinen Hund und umsorgt ihn sodann fürsorglich und voller Liebe, bis dieser unter Qualen stirbt.
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