Branded to Kill (1967)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Der Wahnsinn als Methode

Es gibt wirklich gute Gründe, warum Branded to Kill einer dieser kleinen Kultfilme ist, die einfach nicht tot zukriegen sind und die in den Herzen der Cinephilen weltweit weiterleben. Und so ergibt es auch Sinn, diesen japanischen Wahnsinn noch einmal aufzulegen und zwar in einer neu abgetasteten Version — eine Special Edition im wahrsten Sinne des Wortes, denn hier wird nicht nur ein Film neu vermarktet — nein, er wird vor allem erhalten in der bestmöglichen Version.

Wenn man die Geschichte des Filmes nicht kennt und eher zufällig über ihn stolpert, ohne um seinen Kultstatus zu wissen, bemerkt man sehr bald, dass es sich hier um eine recht aberwitzige japanische Variation der Bond-Filme im Yakuza-Style handelt. Gepaart mit einer ordentlichen Portion Film Noir und einer Prise New Wave. Und dann ist da noch dieser Hauptdarsteller (Joe Shishido). Sein Gesicht ist ungewöhnlich proportioniert und macht ihn zu einem echten Hingucker, einem leichten Störfaktor, der fasziniert bis zur letzten Minute. Das ist kein Zufall: Nach nur mäßigem Erfolg hatte sich der Schauspieler die Wangen operativ vergrößern lassen — ein PR-Stunt, der seiner Karriere einen ungeheuren Auftrieb gab.

Doch Shishidos Wangen allein machen ihn nicht zu einem guten Schauspieler. Es ist vielmehr seine Ernsthaftigkeit und die schon fast Bogartsche Raubeinigkeit, die faszinieren. Er trägt diesen Film auf seinen Schultern als wäre Branded to Kill ein epischer Klassiker. Dabei ist er eigentlich das Gegenteil. Der billig produzierte Film sollte eigentlich einer von vielen Yakuza B-Movies werden, die die Produktionsfirma Nikkatsu in den 1960er Jahren wie am Fließband herstellte. Goro Hanada (Joe Shihido) ist ein Auftragskiller, der sich in Misako (Anne Mari) verliebt. Diese geheimnisvolle Frau beauftragt ihn mit einer Mission, die er unmöglich erfüllen kann, doch davon lässt sich Hanada nicht abhalten. Natürlich geht die Aktion gründlich schief und er gerät ins Visier des mysteriösen Killers Nummer 1, der ihn fortan jagt und mit psychologischen Spielchen an den Rand des Wahnsinns treibt.

Was hier nach einer recht geradlinigen Erzählung klingt, ist eher eine mühsame Rekonstruktion der Story. Denn dieser rote Faden ist innerhalb des Filmes eher schlecht als recht zu finden. Branded to Kill ist unfassbar unverständlich und chaotisch. Viele Momente geschehen vollkommen überraschend, werden entweder nie oder erst sehr viel später aufgeklärt. Wer sind diese ganzen Leute? Und wieso erschießt der Killer sie?

Regisseur Seijun Suzuki wurde nach Fertigstellung dieses Filmes nicht umsonst entlassen, auf eine schwarze Liste gesetzt und durfte zehn Jahre lang nicht mehr arbeiten. Der Film galt nach der Fertigstellung als eine Katastrophe. Eigentlich schade, denn dieser Wahnsinn, den Suzuki hier entfacht, ist Dadaismus auf höchstem Niveau und so unfassbar eigenartig, dass es großen Spaß macht, sich ihn anzusehen und dabei zu versuchen zu verstehen , was hier eigentlich genau geschieht. Oder besser noch es komplett zu unterlassen, Branded to Kill kognitiv erfassen zu wollen und einfach auf diesen Trip mitzugehen, sich treiben zu lassen und alle Ordnung, Normalität und Kohärenz zu vergessen. Alles Wissen über Filme und das Filmemachen nutzt hier nichts, denn Suzuki selbst produzierte diesen Film immer nur mit spontanen Ideen und interessierte sich vor allem beim Schnitt in der Postproduktion gar nicht mehr für die eigentliche Geschichte.

Doch Branded to Kill ist nicht nur auf der narrativen Ebene ein kreatives Chaos. Was diesen Film so besonders macht ist die Tatsache, dass zwischen all dem Eigenartigen immer wieder Momente oder Ideen auftauchen, die von der unfassbaren Brillanz zeugen, die in Suzuki schlummerte. Vor allem die Kameraarbeit und die ungewöhnlichen Einstellungen machen den Film zu einem avantgardistischen Highlight. Der in Schwarzweiß gedrehte Streifen begnügt sich nämlich nicht damit, die üblichen Einstellungen eines Film Noir zu kopieren, nein, Suzuki filmt seinen Killer mit einer Virtuosität eines Luis Buñuels. Als Hanada noch arbeitsfähig ist, erschießt er seine Opfer stets auf andere Art und Weise — einmal sogar durch ein Abflussrohr, in das die Kamera hineinzoomt. Später dann, im psychotischen Zustand, füllt Suzuki das Bild mit Animationen und addiert ein verzerrtes Sound Design hinzu, um den Wahnsinn des Killers sicht- und hörbar zu machen.

Kein Wunder also, dass Branded to Kill so viele andere Regisseure — Quentin Tarantino, John Woo und Jim Jarmusch zählen das Werk zu den Filmen, die ihren eigenen Stil beeinflusst haben — beeindruckt hat, bietet er doch eine Spielfläche, die vor und nach ihm niemand mehr so benutzt hat, wie Suzuki in diesem brillanten und einzigartigen filmgeschichtlichen Moment. Allen Erklärungsversuchen zum Trotz: Branded to Kill ist einer jener Filme, die man unbedingt gesehen und erfahren haben muss.
 

Branded to Kill (1967)

Es gibt wirklich gute Gründe, warum „Branded to Kill“ einer dieser kleinen Kultfilme ist, die einfach nicht tot zukriegen sind und die in den Herzen der Cinephilen weltweit weiterleben. Und so ergibt es auch Sinn, diesen japanischen Wahnsinn noch einmal aufzulegen und zwar in einer neu abgetasteten Version — eine Special Edition im wahrsten Sinne des Wortes, denn hier wird nicht nur ein Film neu vermarktet — nein, er wird vor allem erhalten in der bestmöglichen Version.

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