Black Moon

Eine Filmkritik von Marie Anderson

An Old Laughing Lady

Dieser Louis Malle (1932-1995) war einer jener Filmemacher, denen es absolut zuzutrauen war, es ihrem Publikum ganz gezielt nicht einfach gemacht zu haben. Virtuos hantierte er mit unterschiedlichen Genres, gekonnt, gescholten und geliebt, vor allem aber mit beinahe jedem neuen Film für eine Überraschung gut. Black Moon aus dem Jahre 1974, chronologisch anzusiedeln nach dem brisanten Geschichtsstoff Lacombe Lucien (1974) zwischen der darauf folgenden Paris-Dokumentation Place de la république (1974) und dem kurzen Porträt Close Up (1976) über die französische Schauspielerin Dominique Sanda, lässt sich nur schwer einer Filmgattung zuordnen, es sei denn es gäbe die Kategorie esoterisch-skurrile Symbolfilme.
Das junge Mädchen Lily (Cathryn Harrison) fährt mit ihrem kleinen Wagen durch eine ländliche Region, in der grausame Kriegsszenarien herrschen. Es gelingt ihr knapp, dem Zugriff der Soldaten zu entfliehen, und sie rettet sich in die seltsame Welt eines kleinen Gutshofes. Doch auch hier lauern Gefahren, vor allem in Form einer bösartigen alten Frau (in Höchstform: Therese Giehse), die ihre Tage lärmend auf ihrem Bett verbringt, bisweilen mit einer Funkmaschine konspirativ kommuniziert und sich nicht scheut, die verwirrte Lily auch schon einmal kräftig zu würgen. Deren erwachsene Kinder (Alexandra Stewart und Joe Dallesandro) sprechen kein Wort mit Lily, doch der Sohn nutzt jede Gelegenheit, das Mädchen zu berühren und schließlich zu befummeln. Dann gibt es noch eine Horde nackter, fröhlicher Kinder, die mit einem Schwein herumtollen, und nicht zuletzt eine Menge verschiedener Tiere mit ungewöhnlichen Fähigkeiten, von denen Lily vor allem das schwarze kleine, pummelige Einhorn beeindruckt. Vor dieser Kulisse bewegt sich die Geschichte mit unbestimmter Richtung zwischen Annäherungen und Streitigkeiten bis hin zu brutaler Tätlichkeit, fahler Harmonie und offenkundiger Verstörung voran …

Louis Malle drehte Black Moon auf seinem eigenen kleinen Anwesen im ländlichen Frankreich, und der Film mutet an, als habe sich der Meister dorthin ein paar ausgewählte Akteure eingeladen und schlicht eine sparsame Farce aufführen lassen, die von der Musik Richard Wagners begleitet wird und mit allerlei Merkwürdigkeiten und Anspielungen auf Märchen und eine vagabundierende Psyche ausgestattet ist. Da wird eine alte Frau von ihrer Tochter gesäugt, klingelnde Wecker hastig aus dem Fenster geworfen und eine schweigsame, geschwisterliche Hass-Liebe zelebriert – in bedeutungsstarken, nachhaltig wirkenden Bildern von Kameramann Sven Nykvist gefilmt, der dafür mit dem César ausgezeichnet wurde und dessen erfolgreiche Karriere, nachdem er früh und lange mit Ingmar Bergman drehte, sich noch mit Regisseuren wie Volker Schlöndorff (Eine Liebe von Swann / Un amour de Swann, 1983), Woody Allen (Eine andere Frau / Another Woman, 1988) und Lasse Hallström (Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa / What´s Eating Gilbert Grape, 1993) fortsetzte.

Trotz einiger gelungener Sorgfältig- und Vielschichtigkeiten stellt Black Moon eher ein filmisches Konsortium wilder Imaginationen als eine traditionelle Geschichte dar, verstärkt durch offen gestalteten Anfang und Schluss, die weit über sich hinaus in das Unbestimmte und Unbewusste verweisen – psychologisch tiefsinnige Symbolgewalt, mögen die einen befinden; witziger, esoterischer Unfug, die anderen. Unbedingt aber repräsentiert der Film einen phantasiereichen, fantastischen Ego-Trip Louis Malles, für Fans unverzichtbar und ansonsten amüsant-interessant.

Black Moon

Dieser Louis Malle (1932-1995) war einer jener Filmemacher, denen es absolut zuzutrauen war, es ihrem Publikum ganz gezielt nicht einfach gemacht zu haben.
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