Belgrad Radio Taxi

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Ein Mann und ein Baby

Der Tag fängt ja gut an für einen schlecht gelaunten Taxifahrer: Regen, Stau auf der Brücke und dann noch diese verzweifelte Frau mit der gebrochenen Nase und dem Baby im Arm. Sie stoppt das Taxi, steigt aber gleich wieder aus, rennt zum Brückengeländer und stürzt sich schnurstracks in die Tiefe. Zurück bleibt das Baby – und das bei einem Mann, der sich geschworen hatte, um keinen Preis der Welt ein Kind haben zu wollen. Aber die Geschichte von dem Mann und dem Baby ist nicht das einzige Thema in Srdjan Koljevics vielschichtigem Episodenfilm.
Ähnlich wie in den serbischen Filmen Klopka – Die Falle (2007) und Liebe und andere Verbrechen (2008) lässt Regisseur Srdjan Koljevic durch die individuellen Geschichten ein Gesellschaftsporträt durchschimmern: auf eine angenehm unaufdringliche Weise, quasi wie im Vorbeigehen. Es ist das Bild einer Stadt (Belgrad) und eines Landes (Serbien beziehungsweise ganz Ex-Jugoslawien), die im Stau stecken, traumatisiert durch die Vergangenheit und gelähmt im ziellosen Überlebenskampf. Anders aber als in den beiden Vorgängerfilmen, bei denen Koljevic jeweils am Drehbuch mitgearbeitet hatte, fällt seine zweite Regiearbeit optimistischer aus. Sie zeigt neben der Tristesse den Aufbruch, ganz vorsichtig und verhalten, aber unübersehbar. Und unüberhörbar, denn von Anfang an verbindet Belgrad Radio Taxi seine Episoden durch die Musik eines Radiosenders, den alle Protagonisten mögen. Auf der Tonebene sorgt somit ein Oldie-Mix aus folkloristisch angereichertem Beat für gute Laune.

Vorerst jedoch bleibt gute Laune ein Fremdwort für den Taxifahrer Gavrilo (Nebojša Glogovac, der auch in Klopka die Hauptrolle spielt). Der desillusionierte Bosnien-Flüchtling spricht wenig und meidet jede zwischenmenschliche Emotion. Ganz ähnlich wie die Lehrerin Anica (Anica Dobra), die wie ferngesteuert durch ihr Leben geistert. Und irgendwie ist auch die Apothekerin Biljana (Branka Katic) eine Seelenverwandte – lebenslustiger zwar, aber auf Beruhigungspillen angewiesen. Welche Verluste die drei erlitten haben, verrät der Regisseur in spannungsfördernder, also scheibchenhafter Weise. Dabei berühren sich die Lebens- und Aufbruchsgeschichten vor allem in der Eingangsszene auf der Brücke und in gelegentlichen Treffen der beiden Frauen. Ansonsten handelt es sich um eigenständige Episoden.

Es zählt zu den Stärken des Films, wie Srdjan Koljevic, der lange Jahre hauptsächlich als Drehbuchautor gearbeitet hat, die individuellen Geschichten miteinander verzahnt und dabei den Blick auf die Gesellschaft öffnet. Zwar laufen sich die Protagonisten ein paar Mal zu oft „zufällig“ über den Weg. Aber ansonsten trägt das Verweben der Episoden entscheidend dazu bei, dass der Film bei aller Schwere der Schicksale eine positive Grundstimmung behält.

Visuell eher zurückhaltend und realistisch, setzt Belgrad Radio Taxi auf die Intensität und Glaubwürdigkeit der Schauspieler. Vor allem Nebojša Glogovac gelingen Szenen, die im Gedächtnis bleiben werden. Man ahnt es ja, dass das Baby diesen Mann verändern wird. Wie er aber auf seine eigene Art und ganz klischeefrei den kleinen Schreihals zu mögen beginnt – das ist große Klasse.

Belgrad Radio Taxi

Der Tag fängt ja gut an für einen schlecht gelaunten Taxifahrer: Regen, Stau auf der Brücke und dann noch diese verzweifelte Frau mit der gebrochenen Nase und dem Baby im Arm. Sie stoppt das Taxi, steigt aber gleich wieder aus, rennt zum Brückengeländer und stürzt sich schnurstracks in die Tiefe.
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Meinungen

@Danijela Mikanovic · 25.07.2011

Das stimmt - da steht aber auch nicht, dass Koljevic bei diesen Filmen regie geführt hätte.
Grüsse, Mike

Danijela Mikanovic · 21.07.2011

Im Film "Die Falle" hat nicht Koljevic sondern Srdan Golubovic die Regie geführt, lg