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In seinem Langfilmdebüt erzählt Michael Pearce von zwei Außenseitern auf einer Insel. Doch hinter ihrer Liebe stecken dunkle Geheimnisse.

Beast (2017)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Zwei Wilde und (k)ein Biest?

Michael Pearce‘ Langfilmdebüt ist preisgekrönt. Der Regisseur und Drehbuchautor kreuzt Familien- und Beziehungsdrama mit Krimi und Psychothriller zu einem modernen Märchen. Dafür erhielt er gemeinsam mit seiner Produzentin Lauren Dark bei den BAFTAs den Preis für das Outstanding Debut. Hauptdarstellerin Jessie Buckley wurde für ihre Rolle gleich mit mehreren Preisen bedacht. Zwei Jahre nach seiner Premiere beim Film Festival in Toronto erscheint der Genremix in Deutschland als DVD, Blu-ray und Video-on-Demand.

Beast ist ein Stimmungsfilm. Die Kanalinsel Jersey, auf der die 27-jährige Touristenführerin Moll (Jessie Buckley) im Kreise ihrer Familie ein nach außen eintöniges Leben führt, glimmt im wohlig-warmen Sonnenlicht. Auf der Tonspur rauschen Wind und Wellen. Dass hinter der perfekten Fassade dieser Familie etwas nicht stimmt, schwingt in jeder Einstellung mit.

Moll hat Geburtstag, doch bei ihrer kleinen Gartenparty dreht sich alles nur um ihre Schwester und deren just verkündete Schwangerschaft. Die Gespräche sind angespannt, die Blicke zwischen Moll und ihrer Mutter Hilary (Geraldine James) erdrückend. Emotionale Gewitterwolken bei strahlendem Sonnenschein, hinter denen sich gleich mehrere Untiefen verbergen. Das kluge Drehbuch des Debütanten belässt es nicht bei einem Konflikt. Die Erzählebenen und Beziehungsgeflechte sind vielfältig.

Frustriert flüchtet Moll von der eigenen Feier, stürzt sich in die Nacht und in die Arme einer Zufallsbekanntschaft. Als diese am nächsten Morgen zu zudringlich wird, erscheint aus dem Nichts ein rauer Retter: Das Jagdgewehr im Anschlag, die Haare fettig, die Hände schmutzig tritt Pascal (Johnny Flynn) in Molls Leben – und eine Amour fou beginnt. Denn Moll, von ihrer Schwester als „wild one“ bezeichnet und von der Mutter stets streng beäugt, ist alles andere als eine Jungfrau in Nöten.

Pearce spielt geschickt mit der Erwartungshaltung seines Publikums und mit der Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen. Seine Informationen vermittelt er nur scheibchenweise wie beim Häuten einer Zwiebel. Mit jeder Schale kommt mehr über die Vergangenheit der Figuren, über die sozialen Strukturen der Inselgemeinschaft und über den Kriminalfall zum Vorschein, der sich parallel zum Familien- und Liebesdrama abspielt.

Auf Jersey geht ein Frauenmörder um. Die Ermittler nehmen Pascal ins Visier; Benjamin Kracuns Kamera rückt dessen dreckige Fingernägel, seine Stiefel und die Schmutzflecke in den Fokus, die Moll nach einer Nacht mit ihm auf der sauberen Wohnzimmercouch hinterlässt. Der Frauenmörder erstickt seine Opfer mit Erde. Doch wer ist hier das Biest? Ist es Pascal, der gern mit seinen Händen arbeitet, ist es die von Albträumen geplagte Moll, ist es keiner der zwei oder sind es beide gemeinsam?

Pearce hat einen Psychothriller über die Schwierigkeiten der Selbstverwirklichung gedreht. Moll und Pascal sind im Grunde ganz gewöhnlich, in ihrem restriktiven Umfeld aber schon durch kleinste Abweichungen von der Norm glasklare Außenseiter. Jessie Buckley und Johnny Flynn lassen das Publikum die angestaute innere Pein ihrer Charaktere förmlich spüren. In ihrer gewohnten Rolle als verbiesterte Pedantin mit Hang zum Sadismus ist Geraldine James eine ebenbürtige Kontrahentin. In der Krimihandlung wiederum steckt die Frage, wie weit das Abweichen von der Norm letztlich reichen darf. Die Antwort darauf lässt Beast in einem furiosen Finale völlig offen.

Beast (2017)

Durch den geheimnisvollen Außenseiter Pascal ermutigt, schafft es die labile junge Moll, ihrer dominanten Mutter zu entkommen. Als der Mann dann in Verdacht gerät, für mehrere brutale Morde verantwortlich zu sein, lernt sie, wozu sie alles fähig ist, wenn es darum geht, ihn zu verteidigen.

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Meinungen

Martin Zopick · 06.06.2023

Es ist ein einziges Rätselraten um die psychologische Beschaffenheit eines Täters, der nie gefunden wird. Gewalttätige Optionen werden in Albtraumsequenzen abgehandelt und öffnen wie bei dem allseits bekannten Wetterhäuschen, bei dem einmal eine Frau ins Freie tritt, dann wieder ein Mann, abwechselnd ein Türchen. Dabei stehen die Figuren für eine bestimmte Art von Wettervorhersage. Sie bieten optionale Lösungen an. Einmal diese, dann eine andere, schließlich wieder die erste, bevor alle Türen zuschlagen und gleichzeitig offenstehen.
Da kommt schon bald die Frage nach der Bedeutung des Titels ins Spiel: wer oder was ist das wilde Tier? Fest steht es ist ein Individuum. Real oder fiktiv? Beides ist möglich.
So spielt Drehbuchautor und Regisseur Michael Pearce unentwegt mit den Erwartungen der Zuschauer. Dabei legt er sich nicht fest. Im Gegenteil am Ende variiert er mit dem Tod durch Erwürgen oder gar keinem Tod, dem gemeinsamem bzw. einsamen Unfalltod. Das Finale wird durch eine phonstarke Schreiorgie eröffnet, die die Optik noch furchtbarer werden lässt. Arthouse für starke Nerven und starke Knobler. Als Palliativ dient die imposante Kulisse von Jersey.

Sabine Bielstein · 12.10.2020

Selten so gelangweilt und genervt gewesen, wie von diesem Film, unglaubwürdiger gehts nicht mehr..das beste war noch die Landschaft....