Bakerman

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Zu viele Rätsel

Jeden Morgen – oder vielmehr: jede Nacht – klingelt um 2:30 Uhr der Wecker. Dann steht Jens (Mikkel Vadsholt) auf, geht unter die Dusche, frühstückt das Brot, das er abends zuvor gebacken hat, steigt ins Auto und fährt zur Arbeit. Er ist Bäcker, aber in der Bäckerei, in der er arbeitet, wird schon lange nicht mehr ge- sondern vielmehr aufgebacken. Also schneidet Jens Teigrohlinge zurecht und muss sich von seinem neuen Chef sagen lassen, dass er eigentlich viel zu teuer für den Laden sei. Deshalb haben auch alle anderen eine Gehaltserhöhung bekommen und er nicht.
Jens nimmt das hin, wie er alles im Leben hinnimmt. Die Beschimpfungen von Jugendlichen, die Frotzeleien seines Kollegen Brian (Brian Hjulmann) und die Versuche seiner Schwester Anna (Mia Lerdam), ihn unter Leute zu bringen. Aber Jens ist lieber für sich, gelegentlich pfeift er mal ein Fußballspiel, aber ansonsten sitzt er zuhause. Er ist einsam und allein – und doch brodelt da etwas unter der Oberfläche. Das sieht man an der Art, wie er sich die Hände mit routinierten Abläufen wäscht, wie er sein Gesicht unter der Dusche rubbelt und wie er kurz innehält, wenn er wieder einmal zur Zielscheibe wird. Und eines Tages bricht es aus ihm heraus: Er beginnt, sich zu wehren. Und das hat tödliche Konsequenzen.

An dieser Stelle könnte nun David Noel Bourke mit seinem Bakerman auf den Spuren von Falling Down wandeln, aber Jens läuft nicht Amok. Vielmehr rastet er zunächst einmal aus, greift zu einem Werkzeug und erschlägt einen Mann. Danach verwischt er Spuren, er haut ab – und wartet förmlich darauf, dass er erwischt wird. Sicherlich empfindet er Reue, aber zugleich ist zu bemerken, dass er eine Art Entspannung empfindet. Außerdem scheint ihm dieser Ausbruch eine Kraft zu geben, die zunehmend unheimlich wirkt.

Bis zu diesem Punkt ist Bakerman ein fieses, gemeines kleines Sozialdrama, das den Seelenzustand eines durchschnittlichen dänischen Mannes erforscht, dem die Welt offenbar fremd geworden ist. Sein Handwerk wird nicht mehr wertgeschätzt, sein neuer Chef und die Männer, die sein Auto beschädigt haben, sind offenbar Einwanderer. Dieser Hintergrund ist auffällig, wird dann aber verwischt: Denn sein nächstes Opfer wird eine Dänin sein, deren Leiche er recht professionell versteckt und bei der er für die Polizei noch einen Beweis für die Schuld eines anderen platziert. Ist Jens nun ein Serienkiller, der sich rächt an allen und jedem, der ihn einst verletzte? Oder ist er doch ein Retter? Denn als er eines Nachts beobachtet, wie ein Mann eine Frau verprügelt, greift er ein. Er rettet Mozan (Siir Tilif), nimmt sie mit nach Hause, bietet ihr eine Zuflucht. Also ist er doch der Held des Alltags, ein Superheld, nicht Superman, sondern Bakerman. Richtig einordnen lässt sich der Film nicht, aber das wäre nicht schlimm, wenn denn der Film selbst wüsste, in welche Richtung er gehen will. Aber mit dem Einzug von Mozan verändert sich der Ton, plötzlich bekommt Jens die Andeutung einer Hintergrundgeschichte. Sie findet einen Zeitungsartikel, von dem die Untertitel lediglich verraten, dass einst ein achtjähriges Mädchen ertrank und ihr Bruder … Ist das Jens’ traumatisches Kindheitserlebnis oder hat er bereits als Kind eine mörderische Tat begangen?

Man weiß es nicht, aber zu keinem Zeitpunkt scheint Mozan in Gefahr, vielmehr findet sie offenbar Gefallen an ihrem Leben mit Jens. Von ihr ist hingegen kaum etwas zu erfahren, lediglich, dass der Mann, der sie verprügelt hat, ihr Bruder ist – und er war wohl nicht einverstanden mit ihrem Lebensstil. Doch was sie getan hat, welche Entscheidungen sie getroffen hat, wird nicht erwähnt. Sie ist nun da und für Jens gewissermaßen ein Ausweg. Plötzlich macht er Pläne, überlegt, seinen Job zu kündigen, eine Bäckerei an einem anderen Ort zu eröffnen. Ja, er geht sogar zu der Geburtstagsparty seiner Schwester, als Superheld verkleidet. Aber eigentlich ist er nur ein Möchtegern-Held – und leider geht David Noel Bourke in seinem Film viel zu leichtfertig über die Taten und polizeilichen Ermittlungen hinweg, über die Morde, die Jens begangen hat, über die Opfer – und darüber, dass Mozan zumindest rein optisch viel zu jung für Jens erscheint. Deshalb ist Bakerman insgesamt ein Film, der zu viele Rätsel hinterlässt, aber immerhin allein aufgrund der ersten Hälfte durchaus sehenswert ist.

Bakerman

Jeden Morgen – oder vielmehr: jede Nacht – klingelt um 2:30 Uhr der Wecker. Dann steht Jens (Mikkel Vadsholt) auf, geht unter die Dusche, frühstückt das Brot, das er abends zuvor gebacken hat, steigt ins Auto und fährt zur Arbeit. Er ist Bäcker, aber in der Bäckerei, in der er arbeitet, wird schon lange nicht mehr ge- sondern vielmehr aufgebacken. Also schneidet Jens Teigrohlinge zurecht und muss sich von seinem neuen Chef sagen lassen, dass er eigentlich viel zu teuer für den Laden sei. Deshalb haben auch alle anderen eine Gehaltserhöhung bekommen und er nicht.
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