Atomic Falafel

Eine Filmkritik von Stephan Langer

Digitale Jugend gegen den Rest der Welt

Fast, ja fast wäre es mit Atomic Falafel zur ersten israelisch-iranischen Koproduktion gekommen. Zumindest hatte das Autor und Regisseur Dror Shaul fest vor. Aber fast jedes Mal sprangen potentielle iranische Produzenten ab, als er vom Inhalt seines Films erzählte und zusätzlich vom Plan, einen Teil davon auch im Iran zu filmen. Ein einziger Produzent hatte den Mut zuzusagen – dieser verschwand dann acht Wochen vor Drehbeginn spurlos. Diese Produktionsdetails spiegeln den Fakt zweier auf politischer Ebene oppositionell gesinnter Staaten und die Schwierigkeiten wider, auf diesem Terrain stattfindende reale Absurditäten ästhetisch angemessen abzubilden. Shaul versucht es mit seiner satirischen Komödie Atomic Falafel.
Die Geschichte entfaltet sich zum größten Teil in der Negev-Wüste in Israel. Die junge Witwe Mimi (Mali Levi Gershon) glaubt, ihr Mann ist an einer radioaktiven Krankheit gestorben, die er sich bei der Arbeit im örtlichen Kernreaktor eingefangen hat. Zusammen mit ihrer Tochter Nofar (Michelle Treves) verkauft sie aus ihrem Falafel-Truck Essen an stationierte Truppen im Umkreis. Nofars Freund Meron (Idan Carmeli) ist ein jugendlicher Hacker, der sich mit seinem Programm – dem kurdischen Wurm – überall Zugang verschafft. In der geheimen Militärbasis direkt neben dem Kernreaktor berät sich eine Gruppe clownesk gezeichneter Politiker darüber, wie die israelische Antwort auf eine drohende Gefahr bald fertig gestellter nuklearer Sprengköpfe seitens des Iran aussehen könnte. Ihre Entscheidung: Israel muss den Erstschlag ausüben, und zwar innerhalb der nächsten 72 Stunden. Gleichzeitig gelangt Meron an eine CD mit geheimen Daten, die die Operation Erstschlag verhindern könnte, lernt Nofar online die iranische Teenagerapperin Sharareh (Tara Melter) kennen, deren Vater ebenfalls an einem (iranischen) Atomreaktor arbeitet, und bandelt Nofars Mutter mit Oli (Alexander Fehling) an, einem deutschen Atominspektor auf Kontrollmission, der auf uranhaltiges Material mit allergischem Ausschlag und Zusammenbruch reagiert.

Um all diese Windungen und Verwirrungen darzustellen, schlägt Atomic Falafel ein hohes Tempo an und offenbart sich als wilde Stil- und Genremischung, angefangen mit visuellen Elementen aus dem Reality- und Talkshow-TV: jede Figur wird mit einer Art Steckbrief im Bild vorgestellt, der Auskunft gibt über Namen, Beruf, Familienstand und ungewöhnliche Hobbys. Dazu kommt der verschwörerische Handlungsteil der beratenden Politiker im Bunker als Spionagepersiflage, die mit der Hackerstoryline plus Coming-of-Age-Geschichte des jugendlichen Paares Nofar und Meron offensichtlich zwischen den Vorbildern Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben von Stanley Kubrick (mit ästhetischen Anleihen) und WarGames — Kriegsspiele von John Badham (mit inhaltlichen Anleihen) hin- und herschwenkt. Inmitten darin die Lovestory zwischen den beiden auffällig Hübschen Mimi und Oli. Das alles ist aber auch gar nicht weiter schlimm, stellenweise Konfusion hin oder her – viel schwerer wiegt der Fakt, dass der Humor, den der Film an den Tag legt und der durchgängiges Hauptmittel von Atomic Falafel ist, leider nicht wirklich zündet. Das Timing bei den gelegentlichen Slapstickeinlagen stimmt oftmals nicht, die Witze sind eher robust bis plump, die fröhlich-kecke Musik passt zu den karikaturenhaft überzeichneten Figuren. Und immernoch: das ganze Wirre und Unpassende könnte ja auch einen schrägen Schwung erzeugen oder die Energie einer leicht subversiven Chaotik in sich tragen oder zumindest gute Unterhaltung bieten. Unterhaltung wird sicherlich geboten – ob die gut ist, muss wohl der subjektive Einzelfall entscheiden. (Ein Hinweis am Rande: wann immer möglich, den Film im Original mit Untertiteln schauen – nur so bekommt man auch den wirklich hübschen Sprachwirrwarr aus Hebräisch, Englisch und Farsi geboten) Durch die Überhäufung der Figuren und Situationen durch das Drehbuch werden alle Zuschauende vom Film überrascht und überrannt, doch leider bleibt nicht viel von dem Dargebotenen hängen. Eine Spannung erreicht Atomic Falafel auch dann nicht, wenn der Detonations-Countdown tickt.

Die interessanteste Figurenkonstellation ist die der Jugendlichen Nofar, Meron und Sharareh. Sie sind die kommende Generation, die eine Chance darstellt auf eine mögliche, positive Wende in all den verkrusteten Streitigkeiten zwischen ihren Heimatländern. Alle drei porträtiert der Film viel realistischer als den Rest des Ensembles als mehr oder minder normale Teenager, die sich der Situation in ihrer Umgebung bewusst werden und darüber hinaus feststellen, dass sie untereinander viele Gemeinsamkeiten haben. Als Digital Natives ist ihre Weltwahrnehmung durchdrungen vom Internet und von ihren Laptops, viel weniger orientieren sie sich an nationalen Grenzen – sie sind die progressiven Kräfte, die im Gegensatz zu ihrer technologisch konservativen Elterngeneration leider nicht an den gesellschaftlichen und militärischen Machtpositionen sitzen. Auf der israelischen Nuklearbasis ist zum Beispiel ein gerade angekommener, junger Soldat aus Neuseeland der einzige, der sich mit den Abschusscodes auskennt – seine Vorgesetzten sind diesbezüglich völlig ahnungslos. Die junge Iranerin Sharareh ist Rapperin – ihr Song Hitchki erzählt in Farsi davon, dass sie sich von niemandem sagen lässt, was sie anziehen soll und wie sie zu sein hat. An dieser Stelle kommt zum einzigen Mal in Atomic Falafel ein Schwung auf, der aus dem Inhalt, aus der dargebotenen Sache selbst kommt und nicht von vornherein lustig kalkuliert erscheint.

Derart charmant-renitent ist Atomic Falafel ansonsten leider sehr selten. Der Film will einfach Spaß haben, gibt dabei seine Thematik einen Schritt zu weit der Lächerlichkeit preis, ohne den humoristischen Biss zu behalten. Eher Farce als Satire, erreicht Atomic Falafel nie die Subversivität, die zum Beispiel die Werbekampagne vor Filmstart in Israel hatte: in Tel Aviv hatte ein haushohes Banner darauf hingewiesen, dass an dieser Stelle in Kürze eine iranische Botschaft ihre Pforten öffnen würde. Darauf waren die beiden Länderflaggen an Fahnenstangen übereinander gekreuzt, zusätzlich lud eine örtliche Telefonnummer zum Anruf ein. Zunächst konnte auf dem Band einer Ansage auf hebräisch gelauscht werden, die einen informierte, dass man eine Nachricht hinterlassen könne. Nach einigen Tagen wurde diese Ansage ausgetauscht durch eine Nachricht in Hebräisch mit starken persischen Akzent, die behauptete, die Stimme von Ajatollah Ali Chamene’i zu sein. Sie sagte einem, man solle Karten für den Film kaufen.

Atomic Falafel

Fast, ja fast wäre es mit „Atomic Falafel“ zur ersten israelisch-iranischen Koproduktion gekommen. Zumindest hatte das Autor und Regisseur Dror Shaul fest vor. Aber fast jedes Mal sprangen potentielle iranische Produzenten ab, als er vom Inhalt seines Films erzählte und zusätzlich vom Plan, einen Teil davon auch im Iran zu filmen. Ein einziger Produzent hatte den Mut zuzusagen – dieser verschwand dann acht Wochen vor Drehbeginn spurlos.
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