Arrival (2016)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Sie kommen!

Wenn es eine Frage gibt, die die gesamte Menschheit immer wieder umtreibt, ist es die, ob wir allein im Universum sind oder ob es da noch andere gibt. Auch im Kino ist diese Frage nach einer größeren Idee und Zugehörigkeit von Anfang an verhandelt worden. Vor allem der Erstkontakt zu außerirdischen Zivilisationen spielt hier eine tragende Rolle.

Dabei haben sich zwei klassische Erzählformen gebildet. In der einen verläuft der Kontakt aggressiv (Independence Day, Bodysnatchers etc.), in der anderen ist die Annäherung friedlicher Art und stets Vehikel für philosophische Gedankengefüge über die Frage nach der conditio humana. Doch vor allem Filme mit letztgenanntem Erzählmuster verfangen sich fast immer in ihren verkopften Konstruktionen und scheitern an den komplexen Fragestellungen, die sie aufwerfen. Ob Robert Zemeckis Contact (1997), Scott Derricksons Der Tag, an dem die Erde stillstand (2008) oder Christopher Nolans Interstellar (2014), alle Filme zerfallen letztendlich an der Banalität ihrer Antworten und Einschränkung ihrer Vorstellungskraft. Das gleiche Schicksal hätte auch Denis Villeneuves Arrival ereilen können, jedoch hat er aus der Filmgeschichte gelernt und geht einen etwas anderen Weg.

Die Ausgangssituation, die Villeneuve hier aufbaut, ist erst einmal ganz klassisch: Plötzlich sind die Außerirdischen da; zwölf Schiffe, über die gesamte Erde verteilt. Alle 18 Stunden öffnet sich ein Schacht, in den Menschen dank veränderter Gravitation hineinlaufen können. Dahinter ist ein Empfangsraum mit einer Art Glaswand, zum Schutz beider Spezies, hinter der sich zwei Heptopoden zu erkennen geben. Das Problem ist nun: Wie miteinander kommunizieren? Gelöst wurde dieses Problem in der filmischen Vergangenheit bisher mit mathematischen Formeln (Primzahlen) oder Licht-Ton-Installationen wie in Steven Spielbergs Unheimliche Begegnung der dritten Art, also stets linearen 1:1 übersetzbaren Systemen. Doch all diese Formen versagen in Arrival ihren Dienst, da ihnen die Komplexität fehlt. Das stellt zumindest die Linguistin Louise Banks (Amy Adams) fest, nachdem sie zusammen mit dem Physiker Ian Donnelly (Jeremy Renner) vom Militär damit beauftragt wird, den Kontakt aufzubauen. Der Fehler liegt in ebenjener linearen Form, die der Sprache der Besucher nicht entspricht, deren Erfahrungswelt keinen linearen Zeitbegriff enthält. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind nicht von Belang. Die Sapir-Whorf-Hypothese besagt, dass Sprache das Denken formt, und so bemerkt Louise bald, dass ihre Gedanken sich ändern. Immer wieder hat sie Flashbacks zu ihrer Tochter, die sehr jung an einer unheilbaren Krankheit verstarb. Haben die Aliens damit zu tun? Oder ihre hochkomplexe Sprache, die sie erlernt?

Während Louise weiter forscht und versucht, das Rätsel um die Besucher zu lösen, geht die Welt um sie herum langsam zugrunde. Anstatt zusammen zu arbeiten, stellen die vielen „besuchten“ Nationen den Kontakt ein und überlegen sogar, ob sie einen aggressiven Gegenanschlag auf die Außerirdischen durchführen sollten. Die Zeit zerrinnt der Wissenschaftlerin quasi zwischen den Fingern. Wie soll sie in so kurzer Zeit die Frage nach dem Warum beantworten? Und ist das überhaupt die richtige Frage?

Auch Arrival beschäftigt sich mit den großen Fragen der Menschheit, die natürlich bei solch einem Erstkontakt gestellt werden. Der Film versucht smart damit umzugehen, weiß aber, dass es unmöglich ist, hier wirklich befriedigende Antworten zu liefern, da schon die Fragestellung an sich viel zu groß und doch nie groß genug ist. Und so zieht sich der Film lieber auf die persönliche Ebene zurück und ergründet diese Ideen im Kleinen, im Einzelschicksal einer Frau, deren Horizont sich über bisher erahnte Kapazitäten hinaus erweitert muss. Dabei bleibt die Erzählweise stets naiv, liebevoll und großäugig. Louise nähert sich mit dem menschlichsten alle Triebe: der Neugier. Zusammen mit dem Wunsch, sich zu verbinden, und so mehr über die Anderen und sich selbst zu erfahren, zeichnet sie ihre Weltsicht und die Sprache des Filmes aus. An manchen Stellen stolpert Arrival trotzdem, verrennt sich hier und da, passt nicht zusammen und irritiert. Aber im Großen und Ganzen ist diese Annäherung viel ehrlicher und befriedigender als alle noch so hochdramatisch philosophischen davor. Es ist das Menschliche und diese immerwährende und nagende Einsamkeit, die alle denkenden, fühlenden Wesen in solch einem riesigen Universum haben müssen, die hier den Erfahrungshorizont formen und somit eine Universalität schaffen, die jeder verstehen kann.

Noch dazu liefert Kameramann Bradford Young (Selma, A Most Violent Year) unglaublich schöne, elegische Bilder, die das Thema von Einsamkeit und gleichzeitiger Verbindung durch Mitgefühl perfekt in ihrer Ästhetik widerspiegeln. Wenn das große, schwarze, elliptische Raumschiff über der grünen Landschaft schwebt und darunter ganz verloren kleine Menschen stehen, die sehnsüchtig und angsterfüllt zugleich nach oben starren, ist die Essenz dieses Filmes in einem Bild eingefangen.
 

Arrival (2016)

Wenn es eine Frage gibt, die die gesamte Menschheit immer wieder umtreibt, ist es die, ob wir allein im Universum sind oder ob es da noch andere gibt. Auch im Kino ist diese Frage nach einer größeren Idee und Zugehörigkeit von Anfang an verhandelt worden. Vor allem der Erstkontakt zu außerirdischen Zivilisationen spielt hier eine tragende Rolle.

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Meinungen

dirk schwann · 09.12.2016

Amy Adams ist immer gut anzusehen, auch als Linguistin mit Spezialauftrag in minimalisierter Handlung. Weniger ist aber manchmal auch weniger: Zu wenig um nochmal rein zu gehen.
Das Thema ist aber auch ausgelutscht. Man möchte da eine Phantasiebombe rein werfen. Wie wäre eine Neuauflage der
Amazonenthematik ? Oder Ausserirdische mit genialem Schul- und Ausbildungssystem ? Einer Welt ohne Beamte aber einem sozialem Coachingprogramm als wiki ? Einer positiven rassischen Supervision für gleiche Entfaltungschancen ? Einer automatischen Verkehrsoptimierung mit Belohnungssteuerung ?
Einem globalen geoökonomischen Beratungsstab ? Einer Bedrohung durch Medienkonzentration ? Allem zusammen ? Oh, Mann....