Argentina

Eine Filmkritik von Verena Schmöller

Verfilmtes Konzert

Für seine Musikfilme reist Carlos Saura in der iberoamerikanischen Welt umher: Er registriert und dokumentiert, schart die bekanntesten Künstler ihres Stiles um sich und schafft einzigartige Einblicke in diese oder jene musikalische und tänzerische Kunst. Dieses Mal hat er sich die Folklore des argentinischen Nordwestens vorgenommen, die Musik, Tänze und Traditionen der Anden. Und wieder sind ihm eineinhalb wunderbare cineastische Konzertstunden gelungen, die einen schauen, lauschen, genießen lassen.
Argentina (im Original: Zonda: folclore argentina) führt den Zuschauern Zambas und Chacareras, Cueca, Malambo und Carnavalito vor Ohren und Augen – immer von leidenschaftlichen Musikern gespielt, interpretiert und getanzt. Oft handelt es sich dabei um ganz pure, reine Musik, die tänzerisch umgesetzt ist, dann wieder wird sie ein Stück populärer oder auch experimenteller. In jedem Fall schafft es Saura, die Stimmung der argentinischen (und südamerikanischen) Folklore zu transportieren. Südamerika-Reisende werden sich zurückversetzt fühlen in die Zeit ihrer musikalischen Reisebegegnungen; diejenigen Zuschauer, die noch nicht dort waren, kennen vielleicht Mercedes Sosa oder auch Violeta Parra (aus Chile) und erkennen bestimmt den ein oder anderen Rhythmus oder eines der Motive. Es ist Volksmusik, die Saura in seinem neuesten Film portraitiert, sie geht ins Ohr, sie ist wiedererkennbar und voller Geschichten.

Für die filmische Umsetzung der Andenklänge und -tänze wählt Saura ‚moderne‘ Bilder: klare, satte Farben, perfekte Ausleuchtung, Spiel mit Perspektiven und Kameraeinstellungen, Bilddopplungen und originelle Ansichten. Ebenso wie die Bilder, die Saura kreiert, sind auch die Kostüme der Tänzer zeitlos, einfach, ohne Schnickschnack und nur in wenigen Ausnahmen traditionell. Dieser klare Stil lenkt nicht ab, sondern lässt der Musik und dem Tanz Raum zu wirken.

Das Herzstück von Argentina scheint – zumindest für den westeuropäischen Zuschauer – die Hommage an Mercedes Sosa zu sein. Und diese ist sehr emotional inszeniert: Eine fingierte Schulklasse schaut sich Archivaufnahmen und alte Bilder der Ausnahmekünstlerin an und stimmt dann mit in den Refrain von Todo cambio ein. Dies hat große Wirkung und ist eine Würdigung, die Mercedes Sosa gebührt. Denn zwischen den Zeilen wird immer wieder deutlich: Die Musik der Folkloremusikerin hat ihre Wurzeln in genau der Musik, die Saura portraitiert, in den Zambas und Chacareras der Anden, in den Musikstücken des einfachen Volkes. Später im Film wird auch Atahualpa Yupanqui mit einem seiner Lieder Tribut gezollt, allerdings weniger bewegend.

Carlos Saura, der vielen als einer der Altmeister des spanischen Kinos und vor allem wegen seiner gesellschaftskritischen Filme unter dem Regime Francos bekannt sein dürfte, hat wieder einen dieser wunderbaren Musikfilme geschaffen, die einen für eine Zeitlang in eine andere Welt entführen. Hier wird Kino wieder zum Fenster in die Welt und nimmt mit in die musikalische Welt eines anderen Kulturraums mit anderen Traditionen, aber auch in eine Welt der Gefühle, die diese Musik auslöst. Die Ruhe eines Konzertzuschauers allerdings braucht man schon. Im Gegensatz zu seinen frühen Musikfilmen, die auch Geschichten erzählten und über ein Handlungsgerüst verfügten, ist Argentina reduziert auf seine Musik: Musikstück reiht sich an Musikstück. Der Film sei weder Dokumentation noch Fiktion, sagt Saura selbst. Er ist vor allem Musik und Tanz, hörbare und visuelle Kunst.

Argentina

Für seine Musikfilme reist Carlos Saura in der iberoamerikanischen Welt umher: Er registriert und dokumentiert, schart die bekanntesten Künstler ihres Stiles um sich und schafft einzigartige Einblicke in diese oder jene musikalische und tänzerische Kunst. Dieses Mal hat er sich die Folklore des argentinischen Nordwestens vorgenommen, die Musik, Tänze und Traditionen der Anden. Und wieder sind ihm eineinhalb wunderbare cineastische Konzertstunden gelungen, die einen schauen, lauschen, genießen lassen.
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