Animals in Love

Eine Filmkritik von Peter Gutting

Das Vorspiel der Löwen

Sind Tiere verliebt, wenn sie sich paaren? Das wissen wir nicht. Aber es ist eine schöne Vorstellung. So schön, dass sie eine knapp eineinhalbstündige Tierdokumentation mühelos füllt. Und daraus eine romantische Komödie der ganz eigenen Art macht.
Naturdokumentationen und Tierfilme stoßen derzeit mit Recht auf hohes Interesse. So haben zum Beispiel mehr als drei Millionen Menschen bisher Unsere Erde / Earth gesehen. Kein Wunder in einer Situation, in der die Bedrohung durch die Erderwärmung dermaßen ins Bewusstsein gerückt ist, dass wir fürchten müssen, ganze Landstriche und Lebensformen auf immer zu verlieren. Auch Animals in Love / Les animaux amoureux zeigt die Pracht und Schönheit, die wir zu verlieren drohen, wenn wir diese Welt ruinieren. Aber die Artenvielfalt ist höchstens ein Thema im Hintergrund. Im Mittelpunkt steht das zärtliche Miteinander in einer bislang ungesehenen Bandbreite.

Eigentlich geht es immer nur um das Eine, könnte man sagen. Doch das würde falsche Assoziationen auslösen. Wichtiger als der kurze Moment der geschlechtlichen Vereinigung ist für Regisseur und Kameramann Laurent Charbonnier das „Drumherum“: das Putzen und Sich-Schmücken, das Sich-in-Szene-Setzen und die Kämpfe gegen Rivalen, die Rituale der Annäherung und die Entspannung „danach“, das Wunder der Geburt und die Pflichten der Aufzucht. All das wird ohne populärwissenschaftliche Erläuterung oder pädagogische Absicht präsentiert. Die Erläuterungen aus dem Off beschränken sich auf die Einführung, das Ende und ein paar Stationen dazwischen. Dass wir nicht wissen, wie die zum Teil exotischen Vögel oder Insekten heißen, stört keineswegs. Es würde das emotionale Mitschwingen mit den optischen Rhythmen und Schnittfolgen kaputtmachen.

Denn das braucht es: Den Kopf ausschalten und sich einer Bilderflut überlassen, die assoziativ von Tierart zu Tierart springt, von Kontinent zu Kontinent, und nur selten bei einem Paar verweilt. Kleine Geschichten wie in Unsere Erde kann und will Animals in Love nicht erzählen. Denn Regisseur Laurent Charbonnier stellt keine Behauptungen auf, sondern möchte ein Gefühl erzeugen und ein Staunen. Das Staunen darüber, dass uns so vieles so menschlich vorkommt. Und dass es so viele Variationen der „Verliebtheit“ unter der Tierarten gibt, von den uns vertrauten Rehen und Hirschen bis zu den wunderlichsten Insekten und den farbenprächtigsten Meeresbewohnern. All das ist insofern realistisch, als die sieben Kameraleute zwei Jahre lang in 16 Ländern auf der Lauer lagen, um ein paar wenige außergewöhnliche Momente einzufangen. Aber es ist insofern romantisch, als nur durch das Licht, die Musik (von Philip Glass) und vor allem den Schnitt die „Verliebtheit“ in dieser Intensität in Szene gesetzt werden konnte.

Trotzdem gibt es mindestens ein paar Szenen, die das Verliebtsein auch in der Realität glaubhaft machen. Sie werden ausführlich gezeigt und nähern sich nicht von ungefähr Tierarten, die uns vergleichsweise nahe stehen. Etwa die beiden Löwen: Sie liegen faul in der Sonne, als die Lust erwacht. Vorsichtig nimmt der eine mit der anderen Kontakt auf. Sie scheinen sich etwas mitzuteilen, was sie ermuntert, weiter zu machen. Nach ein paar Tatzenschlägen stehen sie auf, schleichen umeinander. Aber dann macht es plumps, sie lassen sich wieder fallen. Kurze Funkstille, dann erneutes Schäkern. Schließlich stehen sie wieder auf, laufen ein Stück miteinander und sind am Ende – fast hätten wir es nicht mehr geglaubt – in der richtigen Stimmung, um „es“ zu genießen.

Gewiss, es ist jede Menge menschliche Fantasie im Spiel, wenn man die „Fortpflanzungstätigkeit“ der Natur so beschreibt. Aber ist es nicht naheliegend, die Schnittmengen zwischen Mensch und Tier zu suchen? Und die Tiere gerade in demjenigen Bereich zu vermenschlichen, in dem wir Menschen besonders triebgesteuert und tierisch agieren? Ein Naturwissenschaftler würde das vielleicht nicht gelten lassen. Aber Animals in Love ist ein Film für Romantiker. Und solche, die es werden wollen.

Animals in Love

Sind Tiere verliebt, wenn sie sich paaren? Das wissen wir nicht. Aber es ist eine schöne Vorstellung. So schön, dass sie eine knapp eineinhalbstündige Tierdokumentation mühelos füllt.
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