Alex Cross

Eine Filmkritik von Stefan Dabrock

Hochglanztrümmer

Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts hat Detroit ungefähr die Hälfte seiner Einwohner verloren und deswegen mit Leerstand und Verfall zu kämpfen. In diesem Stadttorso verortet Rob Cohens Thriller Alex Cross seine bei der Polizei arbeitende Hauptfigur, die noch nicht wie in James Pattersons Romanen in Washington tätig ist.
Cross (Tyler Perry) bekommt es mit einem Killer (Matthew Fox) zu tun, der schnell Picasso getauft wird, weil er am Tatort entsprechende Zeichnungen zurücklässt. Bei seiner Ermittlungsarbeit gelingt es dem begabten Ordnungshüter in kurzer Zeit, herauszufinden, wer nach der Toten Fan Yau Lee (Stephanie Jacobsen) als nächstes auf Picassos Liste steht. Doch trotz der Unterstützung seiner Kollegen kann der Mörder entkommen. Als auch noch Cross‘ Ehefrau Maria (Carmen Ejogo) und seine restliche Familie bedroht werden, wird die Angelegenheit persönlich.

Der Investor Leon Mercier (Jean Reno) verspricht, Detroit mithilfe einer schönen, neuen Designwelt wieder aufzuwerten. Sein Hochglanzprojekt soll die Trümmer des Verfalls vergessen machen, der in der ganzen Stadt empfindliche Narben zurückgelassen hat. Aber solche Versprechungen sind oftmals nur ein Luftschloss, wie die gegenwärtige Finanzkrise deutlich macht. Windige Kapitaljongleure spielen gerne ihr eigenes Spiel. Die Wahl des Schauplatzes Detroit ist kein Zufall. Die Stadt steht symbolisch für den wirtschaftlichen Erfolg aus vergangenen Zeiten sowie den anschließenden Niedergang und die Verwundbarkeit. Der Killer, der psychopathisch mordend auch Alex Cross bedroht, agiert hier nicht im luftleeren Raum. Er ist so etwas wie die grausame Personifizierung wirtschaftlichen Fehlverhaltens skrupelloser Geschäftsleute der Hochfinanz, die als wahnsinnige Bedrohung nach Hause zurückkehrt. Die Präsentation der Hochglanzprojektwelt und das Auftreten des Killers in einem dramaturgischen Zusammenhang lässt eine solche Interpretation zu. Amerika muss sich seinen eigenen Sünden stellen, auch wenn das Drehbuch ein wenig so tut, als habe das wirtschaftliche Dilemma in Europa seinen Anfang genommen. Aber Sichtweisen können natürlich verschieden sein.

Cohen hat jedoch kein Interesse daran, einen schweren Film mit komplexen Details auf die Beine zu stellen. Er positioniert sich als Präsentator symbolischer Aspekte, die kurz angeschnitten den Hintergrund für das Duell zwischen Cross und Picasso bilden. So wie Detroit oftmals nur noch aus Relikten besteht, so reduziert sich alles auf diesen Kampf. Dabei gehen keine besonders tief ausgearbeiteten Charaktere aufeinander los, sondern auf das Wesentliche eingedampfte Figuren. Auf der einen Seite der durchsetzungsstarke sowie dynamische Cop, der mit guter Auffassungsgabe Dinge durchschaut und die handfeste Auseinandersetzung nicht scheut, auf der anderen Seite der drahtige Psychopath, den Matthew Fox als Abbild des Wahnsinns anlegt.

Die scheinbare Oberflächlichkeit der Konstruktion passt in einen Thriller, der auf verschiedenen inhaltlichen Ebenen mit dem Trümmerthema spielt. Wie unfertige, aber schick stilisierte Skizzen hetzen Cross und Picasso nach der ersten Anlaufphase durch eine Handlung, in der Heilsversprechungen, Verluste und baulicher Verfall zu sehen sind. Alles kommt jedoch nur als Entwurf daher und spiegelt die fragile Natur der gezeichneten Verhältnisse wider, die sowohl in den negativen Niedergang als auch deren positive Überwindung münden können. Cross erweist sich als der Mann, der zunächst einmal aufräumt. Er muss den Killer besiegen, um seine Familie zu schützen. Er muss den Killer besiegen, um Detroit eine Chance zu offerieren, sich von den Fesseln der symbolischen Bedrohung zu befreien. Nur so besteht die Möglichkeit auf eine bessere Zukunft.

Das Nebeneinander aus Hochglanz und Verfall, aus Oberflächlichkeit und der Andeutung von Tiefe erzeugt eine dynamische Spannung, die faszinierend sein kann. Das Finale des Films findet in einem alten Kinoprachtbau statt, der inzwischen zu einem Parkhaus umfunktioniert wurde. Die langsam verfallene Schönheit der alten Decken strahlt einen morbiden Charme aus, der die irritierende Art des Films auf den Punkt bringt. Hinter jedem Glanz lauert bereits der Niedergang. Rob Cohen hat eine symbolische Thrillerinterpretation über die Gefahren wirtschaftlichen Fehlverhaltens und Gier gedreht, mit der sich Gesellschaften auseinandersetzen müssen. Denn ein Superpolizist kann nicht immer zur Stelle sein.

Das Bonusmaterial besteht aus einem rund zweiminütigen Gespräch zwischen Hauptdarsteller Tyler Perry und James Patterson, dem Autor der Alex Cross-Romane, in dem sich beide loben, sowie dem Trailer zum Film.

Alex Cross wirkt wie ein absolut oberflächlicher Thriller, aber seine reduziert ausgestalteten Figuren und Handlungsmuster spiegeln auf einer symbolischen Ebene die Gefahr vor dem Verlust der Substanz wider, der aufgrund wirtschaftlichen Fehlverhaltens droht. So kommuniziert diese Konstruktion schicker Hochglanzästhetik mit der symbolischen Natur der Stadt Detroit, die Aufstieg und Niedergang in der Vergangenheit bereits durchlebt hat, und den Bildern moderner Bauten sowie denen des morbiden Verfalls.

Alex Cross

Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts hat Detroit ungefähr die Hälfte seiner Einwohner verloren und deswegen mit Leerstand und Verfall zu kämpfen. In diesem Stadttorso verortet Rob Cohens Thriller „Alex Cross“ seine bei der Polizei arbeitende Hauptfigur, die noch nicht wie in James Pattersons Romanen in Washington tätig ist.
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