A Letter to the Future

Eine Filmkritik von Lida Bach

"Ein Kubaner ist jemand, der ruhig bleibt, wenn der Strom wieder angeht."

„Alle wollen in die Vereinigten Staaten“, sagt Luis Alberto. Der 1962 in Havanna geborene Vater eines erwachsenen Sohnes glaubt an den Sozialismus. Aus seinen Worten, die mit denen der übrigen Protagonisten den kaum anderthalb Stunden währenden Zeitabriss zu einem charaktervollen Lebensbild formen, spricht Überzeugung, aus seiner Stimme spricht Resignation. Der Grund dafür scheint nicht darin zu liegen, dass die nächste Generation das System skeptisch betrachtet, sondern dass Luis Alberto selbst um sein Vertrauen darin ringt. Als Fernfahrer für das Kulturministerium hat er einen guten Job, in dem er hart arbeitet. Den Lohn der Mühe zeigt A Letter to The Future nicht. Das individualistische Porträt der Familie Torres und ihrer Bekannten kann nicht zeigen, was nicht existiert. Doch bevor das zu deutlich wird, geht das Licht aus.
Weder die Protagonisten noch die Filmcrew haben es abgeschaltet. Der Strom sei ausgefallen, erklärt der Mann aus Havanna gelassen: „Kann die Kamera auch im Dunkeln sehen?“ Kann sie nicht, aber sie kann zeigen. Die Kamera gehört Renato Martins, der sich in seinem generationsübergreifenden Langfilmdebüt ganz der im Ruhestand lebenden Lehrerin Miriam Torres und ihren Verwandten widmet. Einen Film „über Liebe, Familie und die Revolution“, nennt der gebürtige Brasilianer seine Dokumentation. Vor allem aber ist sie ein Film über Zensur. Dem Land, von dem fast alle Protagonisten trotz der harschen Lebensbedingungen mit Innigkeit sprechen, kann man sie noch nicht einmal anlasten, weil Regisseur und Charaktere ihm zuvorkommen.

Martins ambitioniertes Experiment zeigt eine Familie im Wandel und ein Land im Stillstand. Die Hoffnung auf einen wirtschaftlichen Umbruch, auf bessere Zeiten, die alle Charaktere in ihren Plänen und Wünschen beschwören, werden zum Mantra der Reportage. Für den Zuschauer ist es bald fast ebenso zermürbend wie für die Figuren, die hinter seiner phrasenhaften Wiederholung jene sozialpsychologische Facette offenbaren, die A Letter to the Future tunlich verschweigt: Hilflosigkeit und Verzweiflung. Ob die in anderen Dingen so offenherzigen Protagonisten sie sich nicht eingestehen wollen oder nicht eingestehen können und ob das Verdrängen ein generelles ist oder ein taktisches gegenüber der Filmkamera, bleibt unklar — wie vieles in dem auf den ersten Blick so scharf gestochenen Abbild.

„Um die Leute zu verstehen, musst du zu ihnen nach Hause, mit ihnen sprechen“, sagt einer von ihnen zu Beginn, gleichsam um die Realitätsnähe zu versichern. Martins ging zu der Familie Torres nach Hause, wo der ganze Wohnblock ohne Wasser dasteht, weil die Pumpe nicht repariert wird, wo nach Jahren die gleiche abgenutzte und spärliche Einrichtung steht, wo Großfamilien sich auf engstem Raum zusammendrängen. Er hat mit den Menschen gesprochen, die trotz ihrer unermüdlichen Anstrengungen nicht voran kommen, die jede Systemkritik mit beinahe nervösem Eifer durch Aufzählen der Vorteile relativieren und sich mehrfach auf die Zunge zu beißen scheinen, weil es anscheinend Dinge gibt, die man besser nicht sagt. Zumindest nicht laut in die Kamera.

Die cineastische Collage soll wie ein Schnappschuss wirken, beim näheren Hinsehen jedoch entpuppt sie sich als sorgsam arrangierte Gruppenfotografie. Den Charme des Spontanen zu konstruieren gelingt der mosaikartigen Struktur, die Amateuraufnahmen, Archivszenen und Fotodokumente bündelt. Seine Dynamik und Authentizität kreieren vermag sie nicht. „Wenn du Bildung hast, kommst du an einen Punkt, da fühlst du dich blockiert“, heißt es einmal. In der bei aller Lebendigkeit zu optimistischen Reportage überträgt sich dieses Gefühl in Gemeinplätzen. Das Leben sei halt kompliziert und ein Kubaner jemand, „der nichts und doch alles hat“. Pointierter benennt das fast beiläufige Fazit eines der Porträtierten die sich bereits im Filmtitel andeutende Widersprüchlichkeit: „Meine Zukunft ist schon vorbei.“

A Letter to the Future

„Alle wollen in die Vereinigten Staaten“, sagt Luis Alberto. Der 1962 in Havanna geborene Vater eines erwachsenen Sohnes glaubt an den Sozialismus. Aus seinen Worten, die mit denen der übrigen Protagonisten den kaum anderthalb Stunden währenden Zeitabriss zu einem charaktervollen Lebensbild formen, spricht Überzeugung, aus seiner Stimme spricht Resignation.
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