A Company Man

Eine Filmkritik von Stefan Dabrock

Gangsterkrise

Im südkoreanischen Gangsterthriller A Dirty Carnival (Regie: Ha Yoo) Südkorea 2006) verkörperte Jo In-seong einen Kriminellen, der sich in einer Verbrecherorganisation wie ein gewöhnlicher Arbeitnehmer durchschlagen muss. Ha Yoos Regiekollege Lim Sang-Yoon treibt in seinem Debüt A Company Man die Analogie zwischen Wirtschaft und organisierter Kriminalität noch weiter auf die Spitze. Seine Gangster sind nur mehr Verwaltungsangestellte mit Bürojob, Chefs oder Außendienstmitarbeiter. Ihr aller Geschäft ist das Töten.
Hyeong-do (So Ji-seob) arbeitet als Profikiller für ein Unternehmen, das sich offiziell als Firma aus der Metallbranche tarnt. Aufgrund seiner guten Arbeit ist er die Karriereleiter schon ein ganzes Stück nach oben geklettert. Aber so langsam beginnt für ihn die Zeit des Nachdenkens darüber, ob er nicht ein ganz normales Privatleben führen möchte. Als er im Zuge seiner Tätigkeit die ehemalige Sängerin Mi-Yeon (Lee Mi-Yeon) trifft, entflammt er für die sympathische Natürlichkeit der Frau. Hyeong-do will aus seinem Job aussteigen und sich gemeinsam mit ihr in einer bürgerlichen Existenz zur Ruhe setzen. Aber seine Chefs können das nicht zulassen, denn sie führen ein äußerst sensibles Geschäft, aus dem kein Geheimnisträger einfach aussteigen darf.

Dem Gangsterfilmmotiv einer Parallelwelt, die entweder durch glitzernden Partyspaß, schöne Frauen und viel Geld, durch brutale Kämpfe um die Vorherrschaft oder beides geprägt ist, stellt A Company Man ein Dasein gegenüber, dessen Andersartigkeit jenseits der Mordaufträge verschwunden ist. Hyeong-do zieht jeden Morgen seinen schlichten Anzug an, die offizielle Berufskleidung eines jeden südkoreanischen Büroangestellten. Übertriebenen Schmuck oder protzige Statussymbole gibt es nicht, obwohl er seine Profikillerarbeit sehr erfolgreich ausführt. Nichts deutet darauf hin, dass er für eine Gangsterorganisation arbeitet. Die perfekte Tarnung der Normalität geht jedoch über den Entwurf einer Scheinwelt weit hinaus, die das Gesetz und den Rest der Gesellschaft täuschen soll. Sie entpuppt sich im Laufe der weiteren Handlung als das dominierende Leitbild, dem die Bosse der Profikillerfirma folgen. Mit penibler Genauigkeit hüten sie ihre Aktenberge im Kellerversteck, in denen jede Geschäftstätigkeit ihrer wahren Unternehmung abgeheftet wird. Auch intern verwenden sie den Sprachgebrauch klassischer Bürofirmen und der Betriebsausflug ins Grüne strahlt die gleiche geschäftliche Routine aus, die solchen Veranstaltungen bei normalen Unternehmen oft anhaftet. Die Chefs ziehen ihre Linie auch dann durch, wenn keine Entdeckung durch Fremde droht, weil sie längst zu Buchhaltern ihres nicht ganz alltäglichen Geschäftsmodells geworden sind.

Das Morden ihrer Angestellten tritt die Normvorstellungen der Gesellschaft jedoch mit Füßen. Die banale Organisation der Verbrecher kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie ein Leben im Pakt mit der Gewalt führen, die auf brutale Weise Wunden reißt. Aus diesem Kontrast entwickelt der Film eine unbändige Traurigkeit. Denn das Leben jenseits der Sicherheit einer gesellschaftlich akzeptierten Tätigkeit bietet nicht einmal den Lohn eines aufregenden Daseins. Die Mitglieder der Organisation tragen ein hohes Risiko, aus dem Leben zu scheiden oder im Knast zu landen, ohne dass sie dafür einen Aufschlag bekommen. Sie befinden sich stattdessen in der ganz normalen Arbeitnehmermühle, deren Bitterkeit die Kraft eines brachialen Würgegriffs entwickelt. Lim Sang-yoon schafft es tatsächlich, dass seine Profikiller-Hauptfigur wie eine ganz arme Sau wirkt, mit der man eigentlich nur Mitleid haben kann.

Selbst elegant ausgeleuchtete Nachtaufnahmen mit glänzenden Kanten und schicken Lichteffekten werfen im Verbund mit der ruhigen Musik nur ihre melancholische Wirkung in die Waagschale. Die Kehrseite der Glitzerwelten war schon immer die Tristesse, weil der schöne Schein stets zu schön aussieht, um vollständig wahr sein zu können. In A Company Man existiert zwar auch die hübsche Oberfläche, aber ihre Funktion, einen angenehmen Schein zu entwickeln, nimmt sie nicht mehr war. Wo selbst die Illusion des Glücks niedergerissen wird, das als Beruhigungsmittel wirken kann, ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich die abgrundtiefe Bitterkeit in selbstzerstörerische Gewalt umwandelt. Die Folge ist ein rabiates Finale, bei dem keine Gefangenen mehr gemacht werden. Die wohlgehütete Ordnung implodiert mit nachhaltiger Wucht.

Dabei beschränkt sich der Film nicht nur auf die Dimension eines Gangsterdramas. Das Spiel mit der Normalität koppelt das Geschehen immer auch an das Leben an, das für viele Menschen Alltag ist. Lim Sang-yoons meisterliche Studie in Traurigkeit entwickelt deswegen einen überwältigenden Sog, den man erst einmal verkraften muss.

A Company Man

Im südkoreanischen Gangsterthriller „A Dirty Carnival“ (Regie: Ha Yoo) Südkorea 2006) verkörperte Jo In-seong einen Kriminellen, der sich in einer Verbrecherorganisation wie ein gewöhnlicher Arbeitnehmer durchschlagen muss. Ha Yoos Regiekollege Lim Sang-Yoon treibt in seinem Debüt „A Company Man“ die Analogie zwischen Wirtschaft und organisierter Kriminalität noch weiter auf die Spitze. Seine Gangster sind nur mehr Verwaltungsangestellte mit Bürojob, Chefs oder Außendienstmitarbeiter.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen