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Ang Lees „Tiger & Dragon“ aus dem Jahre 2000 wirft uns mit geschickter Hand in einen formvollendeten Mix aus Kampfkunst, Märchenwelt und Gesellschaftsdrama.

Tiger & Dragon (2000)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Love Fight Man Woman

Als der taiwanische Regisseur Ang Lee, Jahrgang 1954, mit dem Wuxia-Film „Tiger & Dragon“ (2000) einen sagenhaften Erfolg feiern konnte, blickte er bereits auf eine sehr beachtliche Karriere in seiner Wahlheimat USA zurück. So hatte er sich in der sogenannten „Father Knows Best“-Trilogie, bestehend aus „Schiebende Hände“ (1992), „Das Hochzeitsbankett“ (1993) und „Eat Drink Man Woman“ (1993), mit familiären Konflikten befasst, die sich aus den Spannungen zwischen Tradition und Moderne ergeben. Darüber hinaus hatte er mit „Sinn und Sinnlichkeit“ (1995), „Der Eissturm“ (1997) und „Ride with the Devil“ (1999) drei einfühlsame und durchaus provokative zeithistorische Tableaus entworfen.

Für die chinesisch-taiwanische Produktion Tiger & Dragon, die neben vier Oscars (unter anderem als „Bester fremdsprachiger Film“) und zwei Golden Globes zahlreiche weitere Preise gewann und von der BBC zu den 100 bedeutendsten Filmen des 21. Jahrhunderts gezählt wird, diente der vierte Band des fünfteiligen Romans Kranich und Eisen von Wang Dulu als Vorlage. Zum Drehbuch-Team gehört der US-Amerikaner James Schamus, der als Autor und Produzent immer wieder mit Lee zusammengearbeitet hat – auch bei späteren Werken wie Brokeback Mountain (2005) und Gefahr und Begierde (2007). Wohl auch aufgrund dieser Kontinuität lässt sich hier, sowohl auf dramaturgischer als auch auf inszenatorischer Ebene, eine klare Handschrift erkennen. Tiger & Dragon ist versiertes Autorenkino und zugleich ein absolut mitreißender Genrefilm, der Schwertkämpfe, Fantasy und zwei tragische Liebesgeschichten kombiniert.

Die Handlung, angesiedelt im Jahre 1779 zur Zeit der Qing-Dynastie, stellt vier Figuren ins Zentrum. Der Schwertmeister Li Mu Bai (Chow Yun Fat) und die Kämpferin Yu Xiu Lian (Michelle Yeoh) hegen seit langer Zeit Gefühle füreinander, vermögen sich diese aber nicht mitzuteilen – da die Etikette es ihnen verbietet. Die Gouverneurstochter Jen (Ziyi Zhang) verbindet derweil eine wilde Liebschaft mit dem Banditen Lo (Chang Chen); sie wird indes von ihrem Vater in eine Ehe gedrängt. Von ihrer Gouvernante und Lehrmeisterin Jadefuchs (Cheng Pei Pei) verspricht sich Jen ein Leben in Freiheit, weshalb sie das sogenannte Grüne Schwert stiehlt, das Yu Xiu Lian gerade auf Li Mu Bais Bitte hin dem Hohen Rat in Beijing übergeben hat. Li Mu Bai und Yu Xiu Lian versuchen daraufhin, die überraschend mächtige Jen auf ihre Seite zu ziehen – doch die niederträchtige Jadefuchs, die bereits den Meister von Li Mu Bai getötet hat, will dies verhindern.

Allein schon als Actionfilm ist Tiger & Dragon natürlich eine Sensation. Die Kampfsequenzen beeindrucken nicht nur durch spektakuläre Stunts, sondern auch durch ihre märchenhafte Eleganz: Die Figuren schweben über Häuser, springen auf den dünnen Ästen eines Baumes herum und setzen sich mit einer wunderbaren Selbstverständlichkeit über die Gesetze der Schwerkraft hinweg. Jeder Kampf gleicht einem Tanz und macht dem Begriff Martial Arts alle Ehre. Das an Originalschauplätzen in ganz China gedrehte Epos offenbart uns in seinen wuchtigen Bildern eine mystische Welt, in die wir für knapp zwei Stunden ein- und abtauchen dürfen.

Zudem ist Tiger & Dragon, wie die meisten Werke von Lee, ein komplexes Sittendrama, in dem alle Beteiligten mit dem Schicksal hadern. So stehen sich etwa zwei Frauen gegenüber, die beide auf ihre Weise in den Konventionen ihrer Zeit gefangen sind. Yu Xiu Lian ist unverheiratet; sie steht außerhalb des Gesetzes und kann sich so (vermeintlich) frei bewegen – worum sie von Jen beneidet wird. Doch auch sie unterliegt gesellschaftlichen Regeln sowie den moralischen Urteilen ihres Umfeldes und kann ihre Gefühle für Li Mu Bai daher nicht frei ausleben.

Zwänge und Verzicht, Rache und Verantwortung – der Film greift große Themen auf und demonstriert, dass dies auch im Rahmen von fantastischem Unterhaltungskino möglich ist, ohne die dramatischen Feinheiten zu erschlagen. Dazu tragen nicht zuletzt die durchweg hingebungsvollen Schauspielleistungen bei: Neben den internationalen Stars Chow Yun-fat (Anna und der König) und Michelle Yeoh (James Bond 007 – Der Morgen stirbt nie) beweist hier insbesondere die damalige Newcomerin Zhang Ziyi (die später unter anderem in Die Geisha und The Grandmaster Hauptrollen übernahm) ihr Können.

Tiger & Dragon (2000)

In den letzten Jahren der Qing-Dynastie steht China vor einem tiefgreifenden gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Wandel.

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