The Invisible Woman

Eine Filmkritik von Peter Osteried

Hinter jedem großen Mann steht eine große Frau

Mit seiner zweiten Regiearbeit hat sich Ralph Fiennes ein Projekt ausgesucht, das vordergründig das Leben des Schriftstellers Charles Dickens beleuchtet, hintergründig aber die Geschichte einer Frau erzählt, wie sie einst exemplarisch war.
Nelly (Felicity Jones) führt ein normales Leben mit Mann und Kindern – jetzt. Doch früher sah es anders aus, als sie eine geheime, aufregende, aber auch höchst diffizile Liebesbeziehung zum Schriftsteller Charles Dickens (Ralph Fiennes) unterhielt. Dickens war nicht nur ein brillanter Autor, sondern auch ein leidenschaftlicher Amateurschauspieler, der auf der Bühne weit lebendiger erscheint denn im echten Leben, wo er emotional isoliert sein Dasein fristet. Erst als er Nelly kennenlernt, soll sich das ändern. Dickens entdeckt mit ihr nicht nur wahre Leidenschaft, sondern in ihr auch seine Muse. Doch ihre Beziehung darf niemals öffentlich werden, Nelly ist gezwungen, ein unsichtbares Leben zu führen.

Fiennes spielt Dickens als einen gütigen, auch warmherzigen Mann, der aber seine dunklen Seiten ebenso wie jeder andere auch besitzt. Sie äußern sich in der kalten Art gegenüber seiner Ehefrau, die in hartem Kontrast zu seiner Liebe zu Nelly steht. Und doch ist es die Leere seiner Existenz, die ihn gefangen hält. Er hätte ein glückliches Leben führen können, wären die Konventionen der viktorianischen Gesellschaft andere gewesen. Aber im Erfüllen von Erwartungen an Anstand und Moral blieb nur das persönliche Scheitern, auch wenn seine Karriere als Schriftsteller von einem Höhepunkt zum nächsten lief.

The Invisible Woman ist exzellent darin, das Bild einer rigiden Gesellschaft zu zeichnen. Der Film ist reich an Atmosphäre, er lässt das viktorianische England lebendig werden, und doch leblos wirken. Weil alles Fassade ist, weil Begierden und Wünsche nicht nur purer Ambition, sondern vor allem auch gesellschaftlichem Zwang weichen müssen. Ralph Fiennes, der eine feine, vielschichtige Darstellung abliefert, hat seinen Film fest im Griff, macht ihn aber über die interessanten Ideen hinaus, über die sich im Nachhinein nachzudenken lohnt, nicht unbedingt zu einem die Sinne betörenden Erlebnis. Der Film ist etwas lang geraten, fast so, als wollte er die Essenz von Dickens einfangen, dessen Romane oftmals länger waren als nötig, weil er pro Seite bezahlt wurde.

Die Entscheidung, auf eine musikalische Untermalung zu verzichten, ist eine der Schwächen des Films. Eine passende Komposition hätte geholfen, The Invisible Woman einer gewissen Kälte zu entreißen und ihn emotional packender werden zu lassen. So hat man einen Film, der optisch exzellent umgesetzt, wunderbar gespielt und mit diskussionsträchtigem Unterbau ausgestattet ist, der aber auch ein wenig dröge daherkommt.

The Invisible Woman

Mit seiner zweiten Regiearbeit hat sich Ralph Fiennes ein Projekt ausgesucht, das vordergründig das Leben des Schriftstellers Charles Dickens beleuchtet, hintergründig aber die Geschichte einer Frau erzählt, wie sie einst exemplarisch war.
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