The Homesman (2014)

Eine Filmkritik von Festvialkritik Cannes 2014 von Beatrice Behn

Ein zwiespältiges Comeback für Tommy Lee Jones

Acht Jahre nach seinem fulminanten Cannes-Erfolg mit The Three Burials Of Melquiades Estrada, für den Tommy Lee Jones (als Regisseur und Hauptdarsteller) den Preis für den besten männlichen Hauptdarsteller und das beste Drehbuch erhielt, kehrt er nun mit The Homesman zurück. Entsprechend hoch waren natürlich die Erwartungen an diesen Film, der wie sein Vorgänger das Western-Genre aufleben lässt.

The Homesman basiert auf dem gleichnamigen Buch vom Glendon Swarthout und spielt im Amerika der 1850er Jahre. Die resolute und findige Mary Bee Cuddy (Hilary Swank) lebt auf ihrer Farm in Nebraska, die sie allein zum Laufen gebracht hat. Sie ist alleinstehend, zu ihrem Leidwesen und dem der moralischen Frauenfraktion, die mit großer Missgunst zusieht, wie sich Mary wie ein Mann benimmt. „Mann“ heißt hier, dass sie sich selbst organisiert, reiten und schießen kann. Diese Fertigkeiten sind aber plötzlich erwünscht, als sich niemand außer ihr freiwillig meldet, drei Frauen, die über das harte Leben in den „territories“ verrückt geworden sind, von Nebraska nach Iowa zu bringen. Bei ihren Reisevorbereitungen trifft Mary auf Biggs (Tommy Lee Jones), einen Herumtreiber, der gehängt werden soll. Sie rettet ihn unter der Bedingung, dass er sie auf der Reise begleitet, wissend, dass sie es allein durch die gefährliche Wildnis nicht schaffen wird. So macht sich das ungleiche Duo auf den fünf Wochen langen Weg, im Schlepptau drei Frauen: Bella (Grace Gummer), die ihre drei Kinder innerhalb weniger Tage an die Diphterie verlor, Theoline (Miranda Otto), die über den Verlust der Herde und einer Missernte einen Nervenzusammenbruch hatte und Gro (Sonja Richter), deren Ehemann sie schändlich misshandelt und missbraucht hat, bis sie daran zerbrochen ist.

Im Grundsatz ist The Homesman ein recht klassischer Western, wenn man ihn von seiner Bildkomposition her betrachtet. Von Prärielandschaften über Staubwüsten, kleinen Häusern aus Holz und Stein, Pferden — alles ist dabei. Der Rest des Filmes ist aber eher unorthodox. Irritierend — im Positiven, wie im Negativen, sind die emotionalen Landschaften, die wie das Wetter von einer Sekunde zur anderen wechseln können. Jones bringt hier einen unberechenbaren Mix aus komödiantischen Momenten, zutiefst sentimentalen, manchmal sehr moralingetränkten Augenblicken und dann wieder hochgradig Gewaltsames mit dem man nicht rechnet. Diese Achterbahnfahrt erscheint am Anfang noch recht quirlig, wie ein Teenager unter hormonellem Dauerbeschuss. Doch die irritierende Komponente gewinnt irgendwann die Oberhand. Man hat das Gefühl, als liefe der Film ein bisschen aus dem Ruder.

Doch es gibt noch etwas, dass man so im klassischen Western nicht kennt. Die Geschichte — denn sie beschäftigt sich ausführlich mit dem Leben von Frauen an diesem unwirtlichen Orten. Mit Hilary Swanks Figur Mary Bee sehen wir noch dazu eine Frau in einer Hauptrolle, die nicht einfach Ehefrau ist, sondern sich und ihren Hof selbst verwaltet. Und jetzt kommt das riesige „ABER“: Aber leider reicht das nicht, um sagen zu können, dass der Film hier Neuland betritt oder Abstand nimmt von einem Genre, in dem ansonsten Hauptrollen, abgesehen von wenigen Ausnahmen, mit Männern besetzt sind. Denn bei genauer Betrachtung ist The Homesman leider nichts anderes als zutiefst misogyn. Die drei verrückten Frauen haben den Ausweg in den Wahnsinn und die Hysterie gesucht (Freud lässt grüßen) und selbst die so starke Mary Bee ist eigentlich nur auf der Suche nach einem Mann und bereits so verzweifelt, dass sie quasi jeden nehmen würde. Doch die Versuche, die sie unternimmt, enden in unendlicher Demütigung, denn sie ist zu „schlicht“ und zu „herrisch“. Sprich: sie ist nicht hübsch genug und hat eine eigene Meinung. Gott bewahre. Dass sie daran schließlich zugrunde geht, ist ein fast unerträglicher Augenblick.

Im Gegensatz dazu bleibt Tommy Lee Jones‘ Figur — ein Säufer, Räuber, Deserteur und Mörder immer oben und mutiert sogar auf halber Strecke zu einer die armen Frauenzimmer errettenden Vaterfigur. Und genau hier muss man auch reklamieren, dass der Film gleichsam männerfeindlich ist, denn absolut alle männlichen Figuren mit Ausnahme von Biggs sind absolute Schweine. Man könnte dies einfach ignorieren, der Film ist ohne diese doch sehr bitter aufstoßenden Gender-Karikaturen trotzdem recht unterhaltsam. Doch sollte man? Im Jahre 2014? So etwas einfach hinnehmen und abnicken, weil es doch ansonsten ganz nett ist?
 

The Homesman (2014)

Acht Jahre nach seinem fulminanten Cannes-Erfolg mit „The Three Burials Of Melquiades Estrada“, für den Tommy Lee Jones (als Regisseur und Hauptdarsteller) den Preis für den besten männlichen Hauptdarsteller und das beste Drehbuch erhielt, kehrt er nun mit „The Homesman“ zurück.

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Meinungen

Violetta · 31.07.2022

Liebe Filmkritiker*in, vielen Dank, daß Sie meine Meinung von diesem Film in Worte gefaßt haben. Genauso sehe ich auch die Message dieses Films. Zutiefst misogyn. Ich verstehe überhaupt nicht, warum die selbstständige und reziliente Mary Bee sich wie aus dem Nichts aufhängt. Frauen so verallgemeinernd als schwach und unfähig darzustellen ist einfach unrealistisch.

Violetto · 04.01.2024

Dieser Film zeigt schonungslos und realistisch, wie Frauen unter der Mysogynie der damaligen Zeit gelitten haben und setzt ihnen dadurch ein cineastisches Denkmal, wie es im Western-Genre wohl einzigartig ist. Gleichzeitig wird der männliche "Held" als tragischer Verlierer gezeichnet, der wegen seiner charakterlichen Schwächen (z. B. Stichwort Alkoholsucht) es nicht einmal schafft, die wahre weibliche Heldin Mary Bee nach ihrem Tod mit einem einfachen Grabstein zu ehren. Wer dies als mysogyn bezeichnet, verkehrt die Botschaft des Films ins Gegenteil und hat - sorry - nichts verstanden. Es ist tragisch zu lesen, wie die berührende Empathie des Films für die Schicksale der Protagonisten an manchen Zuschauer*innen offenbar vollkommen vorbeigeht.