The Happy Film

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Herr Sagmeister sucht das Glück

Der wohl weltweit berühmteste Grafikdesigner, der Österreicher Stefan Sagmeister, hat eine Langzeitdokumentation über seine Suche nach Glück gemacht. The Happy Film, so möchte man zumindest vom Titel her meinen, ist genau, was wir in diesen gruselig-dunklen politischen Zeiten gebrauchen könnten. Doch diesen Zahn zieht Sagmeister gleich am Anfang, indem er in wohl temperierten Lettern (sein Spezialgebiet ist Typographie) erklärt, dass dieser Film niemanden glücklich machen wird. Und damit hat er absolut recht.
Es ist anfänglich nicht ganz klar, wieso Sagmeister sich als nicht glücklich genug empfindet. Immerhin schätzt er sich auf einer Skala von eins (todunglücklich) bis zehn (unendlich glücklich) bei sechs ein. Gar nicht so schlecht, vor allem, wenn man dazu bedenkt, dass Sagmeister grundsätzlich ein gutes Leben führt. Er hat seine eigene, überaus erfolgreiche Firma in New York, zwei Grammys für Platten/CD-Cover, die er gestaltet hat, viel Geld auf der Bank und die Möglichkeit, künstlerisch zu machen, was er gern mag. Dazu kommen Reisen und die Auszeiten, die er sich alle sieben Jahre nimmt. Doch der Tod seiner Mutter und die Trennung von seiner langjährigen Freundin lösen in ihm den Wunsch aus, mehr an seinem Glück zu arbeiten. Er will dafür drei bestimmte Wege ausprobieren, die als Mittel zum ultimativen Glücklichsein propagiert werden: Erstens Meditation, zweitens Therapie und drittens Medikamente. Jeweils drei Monate Zeit gibt er sich für jeden Weg. Doch weil das Leben anders läuft als geplant, wird aus dieser Doku ein Langzeitformat mit großen zeitlichen Lücken – ein „Fehler“, aus dem Sagmeister keinen Hehl, sondern fast schon eine Tugend macht. Und so zieht er nach Bali zum Meditieren, doch das wird bald langweilig und ihm tut der Rücken weh. Die Therapie bei der herrlich geradlinigen Dr. Hankin, die seinem Lamentieren und leichtem Hang zum Selbstmitleid keinen Platz lässt, bringt ein paar Erkenntnisse, aber auch keinen wirklichen Durchbruch in Sachen Glück. Die Medikamente verwandeln ihn eine Zeit lang in einen Maniker, doch auch dieses chemische Glück funktioniert nur bedingt. Während seiner Suche begegnet Sagmeister auch immer wieder Frauen, in die er sich verliebt, deren Beziehungen jedoch nie lang halten. Dank der Therapie erahnt er, dass es an ihm liegt, zu ändern vermag er es jedoch nicht.

The Happy Film ist ein eigenartiger kleiner Dokumentarfilm, der oberflächlich betrachtet einen praktischen aber kopflastigen Versuch dokumentiert, Glück zu finden. Die dokumentarischen Momente sind immer wieder unterbrochen von kleineren und größeren grafischen Arbeiten Sagmeisters, der hier sein Talent ausstellt und dem Film visuell wunderbare und clevere Momente verschafft. Und doch fühlt sich dieses Werk unangenehm an. Aus zwei Gründen:

Zum einen geht Stefan Sagmeister die Frage nach Glück als ein Designproblem an. Etwas stimmt nicht, ist nicht perfekt, also muss es verbessert werden. Sagmeisters Idee von Glück ist konzeptueller und äußerst egozentrischer Natur, sie muss in sein Selbstbild passen und ihm allein dienen. Hier haben wir einen Mann, der eine wöchentliche Liste führt, in der er sich selbst mit Schulnoten für Kategorien wie „nicht viel Alkohol trinken“, „weniger rauchen“ und „nicht mit Frauen schlafen, die 20 Jahre jünger sind als ich“ einschätzt. Zumindest in letzterer Kategorie scheitert er während der sieben Jahre, die der Film umfasst, mehrmals und kläglich. Und so wird auch der Film, der ein Nebenprojekt zu seiner großen Ausstellung zum Thema „The Happy Show“ ist, zu einer totalen Nabelschau, die sich nur um die Idee von Sagmeisterischem Glück dreht, also nur um sein Glück, welches nicht einmal die Menschen in seiner nächsten Umgebung mit einbezieht. Diese höchst egozentrische Sicht findet sich auch im Film wieder, der sehr überraschend seinen Regisseur an eine tödliche Krankheit verliert. Diesen Fakt dokumentiert Sagmeister mit, allerdings nur als Moment, der ihm wiederum dient, über Glück nachzudenken und weiter sein eigenes zu suchen. So werden die wenigen Minuten, in denen Regisseur Hillman Curtis zu sehen ist und vor der Kamera förmlich verwittert, zu einer unangenehmen, empathielosen Farce, die einen bitteren Nachgeschmack hinterlässt.

Zum anderen sind Sagmeisters völlige Ahnungslosigkeit über seine eigenen Privilegien ein Schlag ins Gesicht. Für viele ZuschauerInnen wird dieser Film irritierend sein, denn hier ist ein Mann, der gesellschaftlich die vollsten Privilegien genießt (Sagmeister ist männlich, weiß, heterosexuell, gut betucht, Akademiker und Künstler) und gar nicht bemerkt, dass er sich in einer Situation befindet, die die meisten anderen Menschen nie erreichen werden. Er ist so frei und unabhängig wie die wenigsten anderen. Es fällt schwer, seinem Weg zum Glück mit Sympathie zu folgen, wenn er in Bali beim Sonnenuntergang meditiert oder in New York auf seiner Dachterrasse mit Blick über die Stadt sitzt und Trübsal bläst. Nun kommt das Glück nicht von weltlichen Reichtümern allein; es soll hier nicht unterstellt werden, dass Menschen in solch hervorragenden Situationen kein Unglück empfinden könnten. Doch die Kombination aus den guten Lebensumständen und der Egomanie des Künstlers fügen sich alsbald zu einem Bild zusammen, in dem man als Außenstehende/r schnell das Gefühl hat zu wissen, woran es (zum Teil) liegen könnte. Vielleicht sollte hier The Happy Film, Teil 2 entstehen, ein Film, in dem der Künstler die Verbindung zu anderen sucht und sich und sein Leben mit anderen teilt. Eventuell könnte er damit dem ewig flüchtigen Gefühl von Glück etwas näher kommen.

The Happy Film

Der wohl weltweit berühmteste Grafikdesigner, der Österreicher Stefan Sagmeister, hat eine Langzeitdokumentation über seine Suche nach Glück gemacht. „The Happy Film“, so möchte man zumindest vom Titel her meinen, ist genau, was wir in diesen gruselig-dunklen politischen Zeiten gebrauchen könnten. Doch diesen Zahn zieht Sagmeister gleich am Anfang, indem er in wohl temperierten Lettern (sein Spezialgebiet ist Typographie) erklärt, dass dieser Film niemanden glücklich machen wird. Und damit hat er absolut recht.
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