Sushi in Suhl

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

(N)Ostalgische Gefühle mit fernöstlicher Beilage

Thüringen in den 1970er Jahren: Im beschaulichen Suhl führt der Gastronom Rolf Anschütz (Uwe Steimle) das Traditionsgasthaus „Waffenschmied“, dessen Küche genauso rustikal ist wie der Name. Deftige Braten, mächtige Klöße, Thüringer Hausmannskost – im real existierenden Sozialismus ist kulinarisch vor allem Vaterlandsliebe und allenfalls manchmal ein Ausflug in die Küche der Bruderstaaten angesagt. Bis Anschütz beim Blättern in einem Bildband auf Beschreibungen und Bilder der japanischen Küche stößt und der Funke sofort überspringt: Japanisches Essen im „Waffenschmied“, gepaart mit dem dazugehörigen Ambiente – das wär’s. Eine Idee ist geboren, doch wie lässt sie sich umsetzen? Zumal es in den Regalen der DDR an den dazu benötigten Zutaten fehlt – von den Accessoires wie dem passenden Geschirr und dem original japanischen Mobiliar sowie der stilechten Bekleidung einmal ganz abgesehen?
Anschütz lässt sich trotz all dieser Hindernisse dennoch nicht von seiner Vision abbringen und tut das, was wahre Meister der Küche sowieso, Bürger stark reglementierter Staaten immer tun – er improvisiert. Anschütz erregt mit seiner kulinarischen Exzentrik bald schon die Aufmerksamkeit des Staatsapparates, denn just zu jener Zeit bemüht sich die DDR um den Aufbau von Handelsbeziehungen zu Japan. Plötzlich fällt dem Außenseiter eine Schlüsselrolle in Sachen Wirtschaftsdiplomatie zu. Doch je bekannter seine Streifzüge nach Fernost werden, desto mehr beginnt es in der eigenen Ehe zu kriseln, so dass der Wirt bald schon weitreichende Entscheidungen treffen muss…

Was klingt wie die komplett erfundene Geschichte eines mit überbordender Fantasie gesegneten Drehbuchautoren, beruht zumindest in Grundzügen auf wahren Begebenheiten. Denn Rolf Anschütz gab es wirklich – und sein gewagtes Experiment der japanischen Küche inmitten des lukullischen Einerleis der DDR-Gastronomie ebenso. Weil der Grenzgänger bzw. -überschreiter mittlerweile verstorben ist, sorgt der Off-Kommentar seines Sohnes für die nötige Authentizität, die die filmische Groteske ansonsten gerne mal zu Gunsten des Unterhaltungswertes unter den (ziemlich niedrigen) Tisch fallen lässt.

Sushi in Suhl ist ein Film, der in erster Linie unterhalten will. Und das gelingt ihm nach recht holprigem Beginn auch ganz gut. Natürlich geht es auch immer wieder ums Politische, um den Alltag und das ganz normale Leben in der DDR, doch das Drehbuch und die Inszenierung heben dabei vor allem auf die Komik und Absurdität des Systems ab, auf die Unfähigkeit des real existierenden Bürokratismus und nicht auf dessen grausame und totalitäre Seite. Wie Steimle alias Anschütz mit einem beherzten Griff zur Säge den Tisch nach japanischem Vorbild tieferlegt, wie er statt Seetang Spinatblätter zum Einwickeln des Sushi nimmt, wie Blumenvasen zu Sake-Gefäßen werden, das versprüht durchaus Witz und gute Laune, weil die Geschichte eines kleinen Mannes, der es dank seiner Schlitzohrigkeit mit dem Mächtigen aufzunehmen weiß, seit Anbeginn des Kintopps einfach nicht totzukriegen ist. Mit ein wenig Fantasie und unter Zuhilfenahme einer Zeitbiegemaschine könnte man sich Sushi in Suhl auch als bundesrepublikanische Nachkriegskomödie vorstellen, so harmlos-humorvoll gerät der Ausflug in die DDR-Vergangenheit.

Sieht man von der unverkennbar (n)ostalgischen Note ab, die Sushi in Suhl lustvoll zelebriert, gibt es dramaturgisch kleine Wackler und Aussetzer, zudem umschifft der Film manche Problematik, indem er recht rüde wichtige Figuren ohne allzu großes Federlesen von der Bühne verschwinden lässt – wie dies etwa Ingrid (Julia Richter), der Ehefrau von Anschütz, widerfährt.

Um bei der japanischen Küche zu bleiben: Das filmische Mahl ist zwar genießbar und bekömmlich, insgesamt aber fehlt es am erzählerischen Wasabi, das der Mischung aus Groteske und Biographie die richtige Würze verleiht.

Sushi in Suhl

Thüringen in den 1970er Jahren: Im beschaulichen Suhl führt der Gastronom Rolf Anschütz (Uwe Steimle) das Traditionsgasthaus „Waffenschmied“, dessen Küche genauso rustikal ist wie der Name. Deftige Braten, mächtige Klöße, Thüringer Hausmannskost – im real existierenden Sozialismus ist kulinarisch vor allem Vaterlandsliebe und allenfalls manchmal ein Ausflug in die Küche der Bruderstaaten angesagt.
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Meinungen

Konstantin · 04.01.2013

Ich war selbst im Nachwenderestaurant von Herrn Anschütz. Im Sakura. Es war ein besonderes Erlebnis. Selbst 14 Jahre danach erinnere ich mich noch daran! Ich freu mich auf den Film.

Isolde Müller · 29.11.2012

Hallo, habe die Vorschau für den Film gelesen, war selbst 1976
in diesen Lokalitäten, es gab kein Shushi, aber dafür köstliche Suppen mit Hühnchen dazu Reis, auch gab es schon echten Seetank und kulinarische Knabbereien.Desweiteren konnte man in einem wunderschön japanisch angelegten Garten lustwandeln.
Alles in allem war es ein schöner Tag, auf den wir 2 Jahre warten mußten.Hoffentlich ist der Film nicht so kitschig, wie die meisten Filme die über den Osten gedreht werden.
Mit freundlichen Grüßen die Kinostöberin