Superwelt

Eine Filmkritik von Harald Mühlbeyer

Die Gabi und die Stimme Gottes

Karl Markovics, vielbeachteter österreichischer Schauspieler (Die Fälscher), hat das Zeug, zum vielbeachteten österreichischen Regisseur zu werden. Sein zweiter Spielfilm Superwelt beweist seine Fähigkeiten der subtilen und zugleich packenden Inszenierung, die er schon mit seinem Erstling Atmen gezeigt hat. Denn Superwelt ist ein Film, wie er besser nicht hätte erzählt werden können.
Eine Supermarktkassiererin hört Gottes Stimme. Diese Grundidee trägt die ganzen zwei Stunden. Und sie hält. Denn Markovics, der auch das Drehbuch verfasst hat, versetzt sich voll rein in diese Gabi, deren Leben unversehens in Unordnung gerät. Was kann passieren, wenn so etwas passiert? Wie verhält man sich, wie verhalten sich die anderen auf das eigene Verhalten? Und wie verhält sich Gott zu alldem?

Zunächst sind es kleine Irritationen. Das Rumpeln der Waschmaschine, das Brummen des Kühlschranks. Momente der Abwesenheit, der Verinnerlichung. Ein Moment des Schreckens nach der Turnstunde, als Gabi etwas Fremdes hinter sich spürt. Dann die Gespräche mit Gott, den wir nie hören, weil es Gabis Gott ist, der sie erwählt hat. Erwählt wozu? Gabi weiß es, vielleicht. Auf jeden Fall Anlass zum Nachdenken, und Anlass, Dinge zu tun, die weit neben dem Alltag liegen. Lange spazieren gehen. Die Nacht über draußen bleiben. Das sind Momente des Glücks, die neben dem Schrecken über diese Stimme sich finden.

Markovics erzählt von einer Ehe, die zur Routine geworden ist; bei aller Liebe: Man kennt den anderen so gut, dass man nichts mehr zu reden braucht. „Worüber sollen wir denn schon streiten?“, fragt Gabi überrascht auf die Sorge der Tochter, die merkt, dass etwas nicht stimmt im Haus der Eltern. Die Vielfalt der Emotionen, die sich in Gabi finden — wunderbar subtil dargestellt von Ulrike Beimpolt — wird gespiegelt in der konsternierten Verstörung bei ihrem Mann, den Rainer Wöss kongenial als geerdeten Widerpart gibt. Der Film erzählt von dem Glück, das sich nicht mehr finden will, von der Leere, die sich unmerklich breit gemacht hat. Und von Gott, der das füllen könnte, der aber auch fordert, der Gabi herausfordert, weil er nicht einfach nur freigiebig austeilt. Das macht Gabi ziemlich fertig, weil plötzlich alles anders ist — und das Wunderbare ist, dass Markovics das alles im Wunderbaren belässt. Nie gerät der Film in psychologische Fahrwasser von eingebauten Schizophrenie-Diagnosen; nie auch in religiös-theologische Diskurse: Weil gerade das Geerdete Markovics interessierte, das Profane, das in seiner Gottesbegegnung steckt.

Und Markovics belässt es nicht nur bei einer Erzählung der Ereignisse um Gabi und ihren Gott. Das Meisterhafte liegt im Inszenieren, in der Durchdringung des Themas durch alle Schichten eines Films, von den Geschehnissen der Handlung bis in kleinste Details. Das führt Superwelt irgendwo in ein Jenseits von Zuschreibungen wie „Drama“ oder „Komödie“ — es liegt eine Leichtigkeit in diesem Film, die sehr schwerwiegend ist. Da finden sich direkte Anspielungen wie brennende Büsche oder ein — wenn auch nicht abendliches — Mahl mit zwölf Arbeitern ebenso wie unaufdringlich eingebaute Gottesblicke der Kamera auf die sommerliche Landschaft von oben. Da haben die Arbeiter des Bauhofs in einer Garage ein Modell der Gegend gebaut, mit Häusern und Windrädern; da wird ein Trucker beständig von seinem Chef per GPS kontrolliert: Sieht alles, hört alles, weiß alles. Und da wird jedes Mitglied von Gabis Familie mit kleinen Merkwürdigkeiten konfrontiert, für die diese freilich nicht die richtigen Antennen ausgefahren haben: Ein Handtuch mitten auf der Straße, ein Möwenschwarm im österreichischen Burgenland.

Die Gottesbegegnung bringt keine Antworten. Weil Gott nicht einfach ist. Weil Gott die Auseinandersetzung mit ihm herausfordert, mit den Fragen nach Sinn, Glück, nach dem Gegenüber. Fragen, die beantwortet werden müssen, auch und gerade von Gabi. Und erst nach einer für alle Seiten befriedigenden Antwort ist Gott still; und Gabi erfüllt.

Superwelt

Karl Markovics, vielbeachteter österreichischer Schauspieler („Die Fälscher“), hat das Zeug, zum vielbeachteten österreichischen Regisseur zu werden. Sein zweiter Spielfilm „Superwelt“ beweist seine Fähigkeiten der subtilen und zugleich packenden Inszenierung, die er schon mit seinem Erstling „Atmen“ gezeigt hat. Denn „Superwelt“ ist ein Film, wie er besser nicht hätte erzählt werden können.
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