Streetscapes (Dialogue)

Eine Filmkritik von Maria Wiesner

Psychoanalyse in schönen Räumen

Regisseur Heinz Emigholz geht es um Architektur. Das wird schon in den ersten Szenen von Streetscapes (Dialogue) klar: Ein Regisseur (John Erdman) und ein Psychoanalytiker (Jonathan Perel) haben sich verabredet, um über die Probleme des Regisseurs zu sprechen. Er hat kreative Blockaden, Alpträume, Todesängste. Er erzählt davon, der Psychoanalytiker fragt nach. Die Gespräche zeichnet der Regisseur mit Diktiergerät auf. Es ist eine Woche intensiver Sprechtherapie, ein Stream of Consciousness, der sich über den Film legt, ihn zusammenhält. Die beiden Männer wechseln im Gespräch die Orte, aber der Dialog wird nie unterbrochen. Mal sieht man sie in einem Haus in Uruguay, mal in Berlin. Und obwohl die Sprache den Film zusammenhält, ist es immer mehr die Architektur der Gebäude und Räume, in denen die Dialoge stattfinden, die hier im Mittelpunkt steht.
In den meisten Szenen sind die beiden Männer nicht mehr als ein Paar Köpfe am unteren Bildrand, der Fokus liegt auf den Häusern und Räumen hinter ihnen. So als seien diese menschlichen Köpfe nur eine Messskala, um die Perfektion des Raumes durch diesen Kontrast des menschlichen Makels hervorzuheben. Der Regisseur wird im Gespräch mit dem Psychoanalytiker auch darauf eingehen: „Ich wollte in meinen früheren Architekturfilmen den menschlichen Kopf und die Architektur zeigen. Der Kopf ist so klein und das Bauwerk so groß.“ Er sagt das, als wäre er immer wieder erstaunt, wie etwas so Kleines etwas so Großes überhaupt erschaffen könnte. Die Kamera scheint ihm da zuzustimmen, denn nur all zu oft löst sie sich komplett von den beiden Männern, die hier miteinander reden, und nimmt das jeweilige Gebäude in unterschiedlichen Ausschnitten in den Fokus. Decken, Türen, Fenster und Bögen sind dann zu sehen, keine Menschen, nur das Spiel von Licht und Schatten im Gebäude, die Schönheit der Architektur.

Dass all das viele Parallelen zum bisherigen Werk von Emigholz hat, ist natürlich Absicht. Streetscapes (Dialogue) liegt eine Begegnung des Regisseurs mit dem Psychoanalytiker Zohar Rubinstein zugrunde. Die Gespräche hat Emigholz tatsächlich aufgezeichnet und daraus das Drehbuch für diesen Film geschrieben, den er selbst als Dokumentarfilm bezeichnet, auch wenn die Szenen von zwei Schauspielern nachgestellt werden und das gesprochene Wort in ein Dialog-Skript umgearbeitet wurde. Streetscapes (Dialogue) mutet dabei wie das Alterswerk dieses Regisseurs an, denn es ist hochgradig selbstreferentiell. Der Regisseur im Film lässt seine Karriere Revue passieren: Die Anfänge als Experimentalfilmer in Hamburg, der Kampf um die Anerkennung in einer deutschen Filmszene, die lieber die jungen Münchner Regisseure feierte, die ihm jedoch viel zu sehr im Narrativen verhaftet blieben. Und diesem Punkt bleibt er bis heute treu, auch Streetscapes (Dialogue) folgt keiner strikten Narration.

Emigholz’ letzte Filme wie Parabeton, Perret in Frankreich und Algerien oder Schindlers Häuser haben Architektur zum Thema und funktionieren dabei mehr als große fotografische Hommage an die Idee der Architekten als als klassische Dokumentarfilme. Den gleichen Blick wendet Emigholz auch in Streetscapes (Dialogue) an. Wenn er seine Protagonisten zum Beispiel in den Bauten des uruguayischen Architekten Eladio Dieste inszeniert, gleicht es einem Fotoessay. Das hindert den Dialog, der sich darüberlegt, jedoch nicht daran, von Nazi-Deutschland, über Kameraperspektiven bis hin zur Schönheit der Architektur bei Antonioni Themen und Thesen aufzugreifen und zu diskutieren.

Und hier hört Emigholz nicht auf, denn Streetscapes (Dialogue) ist nur ein Teil einer ganzen Filmserie, die zeitgleich startet und in ausgewählten Kinos zu sehen sein wird. Vier Filme, jeder ein Kapitel (Streetscapes (Dialogue) ist das dritte) und alle kreisen um Architektur, Räume und wie Menschen und ihre Lebenswege sich darin wiederfinden. Für manchen Zuschauer mag das alles nach völlig verkopftem Arthousekino klingen und dies ist auch ein Vorwurf, den sich Emigholz im Laufe seiner Karriere des Öfteren anhören musste. Er gibt diesen Kritikern in Streetscapes selbst seine Antwort, als er den namenlosen Regisseur das Konzept seiner Filme erklären lässt: „Es ist ein Prozess, man kann sich darauf einlassen oder man kann einfach aus dem Kino gehen.“

Streetscapes (Dialogue)

Regisseur Heinz Emigholz geht es um Architektur. Das wird schon in den ersten Szenen von Streetscapes (Dialogue) klar: Ein Regisseur (John Erdman) und ein Psychoanalytiker (Jonathan Perel) haben sich verabredet, um über die Probleme des Regisseurs zu sprechen. Er hat kreative Blockaden, Alpträume, Todesängste. Er erzählt davon, der Psychoanalytiker fragt nach.
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