Stratos

Eine Filmkritik von Festivalkritik Berlinale 2014 von Joachim Kurz

Der Herr der Augenringe

Endlich weiß ich nun auch das vermutlich wichtigste griechische Wort — da sage nochmal einer, dass das Kino heutzutage keinen Bildungsauftrag mehr verfolgt. Es lautet „Malakas“, was man je nach Lust und Laune mit Idiot, Wichser oder jedem sonst noch verfügbaren Schimpfwort übersetzen kann — es ist sozusagen der Universalfluch der Griechen. Eigentlich klingt dieses Wort ja sehr hübsch, doch nach ca. zweihundertmaliger Nennung verliert es doch seinen Reiz gewaltig. Wer das am eigenen Leib erfahren möchte, sollte Stratos von Yannis Economides nicht verpassen.
Dort fällt der Begriff nämlich so inflationär, dass man meinen könnte, die klaffende Finanzlücke der griechischen Wirtschaft sei allein mit üblen Beschimpfungen und deftigen Kraftausdrücken zu schließen. Verstärkt wird die Wirkung dieser Fluchkaskaden durch die Angewohnheit der Sprechenden, ihre Ausfälle gerne auch zehnmal hintereinander zu wiederholen — aber irgendwie müssen die stolzen 137 Minuten Laufzeit ja auch gefüllt werden. Dem Plot ist die schiere Länge des Films nicht geschuldet, der Handlungsfaden ist nämlich reichlich dünn gesponnen.

Im Wesentlichen geht es um den Gelegenheitskiller Stratos (Vangelis Mourikis) dessen Tränensäcke beeindruckende Dimensionen aufweisen. Der schweigsame Mann, der nebenbei und aus völlig underfindlichen Gründen in einer Teigwarenfabrik arbeitet, obwohl das Mörderhandwerk gerade in Griechenland ziemlich boomt (als vermutlich einzige Branche, wenn man dem Film Glauben schenken darf), arbeitet mit seinen schmutzigen kleinen Jobs vor allem auf ein Ziel hin: Er braucht das Geld, um die Befreiung seines Bosses aus dem Knast zu finanzieren. Denn der aufwendig geplante Fluchttunnel will finanziert werden, und das verschlingt fast so viel Geld wie die Rettung der maroden griechischen Wirtschaft.

Überhaupt ist die Krise, die das Land seit Jahren beherrscht, hier stets spürbar, obwohl die Staatsökonomie nicht im Mittelpunkt steht. Vielmehr, so hat es den Anschein, hat die wirtschaftliche Lage die Menschen mürbe gemacht, raffgierig, skrupellos: Verbundenheit und Freundschaft ist in der Welt, durch die sich Stratos mit stoischer Ruhe bewegt, vor allem eine Frage des Geldes, seine Opfer sind zumeist Schuldner und zur Not verkaufen die Menschen zur Befreiung aus Zwangslagen nicht nur ihre eigenen Körper, sondern ohne mit der Wimper zu zucken auch die ihrer Kinder.

Die desolate Lage der Nation und seiner Protagonisten hämmert Regisseur Yannis Economides mit enervierender Deutlichkeit auf sein Publikum ein. Was er durch ausgefeilte Dialoge und eine raffinierte Narration nicht erreicht (nicht dass eines von beiden in dieser tristen Killerballade vorhanden wäre), versucht der Filmemacher mit gröberen Geschützen wiedergutzumachen — was leider auf ganzer Linie misslingt. Ebenso stupide wie die wiederholten Wortkaskaden seiner Protagonisten spult er sein dürftiges ästhetisches wie erzählerisches Programm ab und setzt offensichtlich auf eine Zermürbungstaktik der Nerven seiner Zuschauer — eine Taktik, die nach 137 Minuten schlussendlich auch aufgeht. Denn dann ist man sichtlich erleichtert, wenn der Vorhang geschlossen wird und alle wesentlichen Protagonisten das Zeitliche gesegnet haben.

(Festivalkritik Berlinale 2014 von Joachim Kurz)

Stratos

Endlich weiß ich nun auch das vermutlich wichtigste griechische Wort — da sage nochmal einer, dass das Kino heutzutage keinen Bildungsauftrag mehr verfolgt. Es lautet „Malakas“, was man je nach Lust und Laune mit Idiot, Wichser oder jedem sonst noch verfügbaren Schimpfwort übersetzen kann — es ist sozusagen der Universalfluch der Griechen.
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Meinungen

Anatoli Bäcker · 13.02.2017

Die Kritik ist wirklich treffend. Meine Fresse war das ein behämmerter Film.