Shortbus (2006)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Die Liebe in Zeiten von 9/11

9/11 war ein Ereignis, mit dem eine neue Zeitrechnung begann – und das keineswegs nur in der Politik, sondern auch in den Beziehungen der Menschen untereinander. Das zumindest ist die Grundthese von John Cameron Mitchells Großstadtkomödie Shortbus über Liebe und Sex in New York, die aufgrund ihrer Direktheit und Unverblümtheit bereits im Vorfeld für einiges Aufsehen gesorgt hat.

Im Mittelpunkt von Mitchells Reigen der Suche nach Liebe und einem erfüllten Sexualleben stehen drei Bewohner des Big Apple, deren Schicksal Mitchell gleich zu Beginn des Films miteinander verknüpft: Da ist zum einen der schwule Jamie, genannt James (Paul Dawson), der gerade versucht, seine langjährige und etwas eingeschlafene Beziehung zu Jamie (PJ DeBOY) durch einen Film über ihr Zusammensein aufzufrischen. Außerdem begegnen wir der Domina Severin (Lindsay Beamish), die in ihrem Studio einen Freier züchtigt und die – quasi nebenberuflich – eine äußerst begabte Fotografin ist, die davon träumt, ihren Broterwerb an den Nagel zu hängen. Und schließlich ist da noch die Sexualtherapeutin Sofia (Sook-Yin Lee), die sich von ihrem Mann Rob (Raphael Barker) mittels artistischer Sextechniken befriedigen lässt. Wobei der Anschein erfüllter Lust allerdings trügt, wie sich später herausstellen wird: Bei einer Sitzung überrascht die Therapeutin ihre Klienten James und Jamie mit den Geständnis, noch nie einen Orgasmus gehabt zu haben. Die Wege aller Protagonisten kreuzen sich in einem exklusiven Club namens Shortbus, in dem sich alles rund um Sex in jeder nur erdenklichen Spielart geht – und zwar durchaus nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch. Der Club ist längst eine Heimstatt für all die Suchenden und Unbefriedigten geworden, die der Moloch New York hervorbringt, und so ist es kein Wunder, dass hier James und Jamie, Severin und Sofia endlich Antworten auf ihre drängenden Fragen und Probleme finden…

Ob PR-Gag oder künstlerisches Qualitätsmerkmal: John Cameron Mitchell (Hedwig and the Angry Inch, 2001), der Regisseur von Shortbus besteht darauf, dass alle im Film gezeigten Sexualakte – vom akrobatischen Self-Blowjob über die Verzierung eines Gemäldes von Jackson Pollock mit einer neuen Form der „Spritztechnik“ bis hin zu den diversen Kamasutra-Verrenkungen – echt und nicht gestellt sind. So viel Körpereinsatz für die gute Sache ist durchaus löblich, und tatsächlich schafft es der Film weitaus mehr als andere Werke zum Thema Nummer Eins, eine Atmosphäre von Authentizität und Echtheit zu schaffen, die dem Film einen ganz eigenen Drive gibt. Das mag mitunter aber auch daran liegen, dass John Cameron Mitchell und seine Akteure bei der Entwicklung des Stoffs eng zusammenarbeiteten und das Drehbuch lediglich als Basis für gemeinsame Improvisationen begriffen. So etwas kann entsetzlich schief gehen, bei Shortbus ist dies definitiv nicht der Fall. Die Komödie mit leisen und manchmal richtiggehend melancholischen Zwischentönen funktioniert über weite Strecken ausgezeichnet, auch wenn sich zum Schluss des Sex-Marathons eine gewisse Ermüdung ob der ausufernden körperlichen Betätigung einstellt. Zu viel Sex ist dann eben doch nicht immer das Wahre.
 

Shortbus (2006)

9/11 war ein Ereignis, mit dem eine neue Zeitrechnung begann – und das keineswegs nur in der Politik, sondern auch in den Beziehungen der Menschen untereinander.

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Meinungen

HP · 20.03.2021

Für mich sind das degenerierte Großstadtmenschen die sich selbst überdrüssig sind. Lösung deren Probleme ... auf das Land ziehen und von früh bis spät körperliche Arbeit vollrichten. Dann sind alle ihre künstlichen Wehwechen weg .... oder für Extremfälle gibt´s noch ein Bootcamp!
Hugh ... Häuptling hat gesprochen.
Das ich nicht begeistert bin vom Film im Gegensatz meiner Vorkritiker liegt wohl in meinem Geschmacksempfinden und persönlichen Wertesystem.

uwe · 09.01.2007

Ein wahnsinns Film!
Politisch unkorrekt (das tut gut), krass, realistisch und auch romantisch- so zeigt Shortbus das Leben mit all seinen Ver(w)irrungen in einer Metropole. Einer der besten Streifen, den ich in letzter Zeit gesehen habe.

· 04.01.2007

genial, bleibt im kopf.
regt an zum nachdenken.
humor, sex, das pure leben!

· 07.11.2006

Ein unterhaltsam anderer Film mit wirklich überraschenden Elementen.
Zurecht hochgelobt.

· 28.10.2006

warum kann man nur diesen film in cinemaxx sehen?Ich hasse dises kino

Tobi · 25.10.2006

Der Film bleibt irgendwie als tolle Erinnerung im Gedächtnis haften. Er ist lustig und ernst, schonungslos direkt, macht einfach Spaß.

Oliver · 23.10.2006

lustig und geil

Joe · 12.10.2006

Ein schöner Film. So wie man ihn sich wünscht.

Gretchen · 10.10.2006

Der Film ist ein Träumchen. So viel Glamour und doch so viel Ehrlichkeit. Dazu wunderbare herzergreifende Musik.