Schwarzer Ozean

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Das Dunkel des Meeres

Wiederholt fasst die Kamera von Jan Vancaillie die dunklen Gewässer ein, die diesen Film fast leitmotivisch durchziehen. Sie stehen für die Ungewissheit und Unklarheit, mit der die Protagonisten in Marion Hänsels Film Schwarzer Ozean konfrontiert sind. Symbolträchtig ist daher bereits der Anfang des Films. Ein zehnjähriger Junge blickt auf einen aus seiner Perspektive fast unüberwindlichen dunklen großen Fluss. Er fasst sich ein Herz und durchquert ihn, am Ende weint er vor Angst und Erschöpfung. Dann gräbt er ein Kästchen unter einem Baum aus. Erst später wird offenbart, dass er sich damals selbst eine Mutprobe gestellt hat. Sollte er es schaffen, dieses dunkle Gewässer ohne Angst zu durchschreiten, prophezeit ihm das Blatt in der Kiste ein glückliches Leben.
Neun Jahre später ist der Junge von damals als Rekrut auf einem französischen Marineschiff im Mururoa-Atoll im Jahr 1972. Auf dem Schiff herrscht eine monotone Routine: Der Tag besteht aus dem Hissen der französischen Fahne, der Erfüllung von Arbeiten an Deck und Trainingseinheiten mit der Gasmaske. In Nacht haben die jungen Matrosen Wachdienste, in denen sie immer wieder auf den dunklen Ozean blicken. Moriarty (Adrien Jolivet) ist ein Einzelgänger, der sich allmählich mit Massina (Nicolas Robin) anfreundet, dessen einziger Lichtblick ein Hund ist. Ansonsten ist er besorgt, dass er genauso verblödet wie die meisten seiner Kameraden, die Freude am Kartenspiel und Sticheleien gegen den dicklichen Da Maggio (Romain David) finden. Sie sind gefangen in einer Atmosphäre voller latenter Gewalt. Nur wenig sprechen sie miteinander, vielmehr scheinen sie erfüllt von der fehlenden Perspektive ihres Tuns – sie wissen noch nicht einmal, warum sie sich in dieser Gegend aufhalten. Deshalb flüchtet sich Da Maggio in Lügen, Moriarty unterdrückt seine Emotionen und Massina verliert in der bedrückendsten Szene des Films die Beherrschung und lässt seine Aggression an dem Hund an. Hier bricht Marion Hänsel ein einziges Mal aus der üblichen Ruhe aus, die ihren Film ansonsten beherrscht.

Für ihren Film hat Marion Hänsel zwei autobiographisch inspirierte Erzählungen von Hubert Mignarelli adaptiert, der sich als junger Mann freiwillig bei der französischen Marine verpflichtet hat. Dennoch ist ihre Erzählung nicht subjektiv, sondern sie erzählt sehr ruhig, fast schon teilnahmslos von dem Alltag der Marineangehörigen. Der erste Teils des Films überzeugt mit Bildern dieses Alltags und der guten Schauspieler. Dabei nutzt Marion Hänsel das Wissen des Zuschauers um die Atomwaffentests der Franzosen im Südpazifik als zusätzliche Bedrohung im Hintergrund. In der Zeit von 1966 bis 1995 haben die Franzosen über 170 Tests im Südpazifik durchgeführt. Die Details wurden geheim gehalten, so erfahren auch die jungen Rekruten kaum etwas über den Test. Die meisten nehmen es als Abwechslung in ihrem Alltag wahr. Eine besorgte Nachfrage aufgrund möglicher Gesundheitsrisiken wird mit dem Verweis auf die Schutzbrille beruhigt, die sie bei dem Test getragen haben. Und für Da Maggio ist dieser Test höchstens ein Ereignis, das er fotografieren kann.

Einzig Moriarty scheint dieses Erlebnis verstört zu haben. In diesem Moment hat er die Endlichkeit seines Lebens begriffen – und ihm wurde bewusst, dass er nicht das Leben führt, das ihm seine Mutprobe einst prophezeite. Diese Erkenntnis ist kein dramatischer Höhepunkt des Films, sondern fügt sich in Marion Hänsels Meditation über die Folgen dieses Erlebnisses für die jungen Männer. Ihre Zukunft liegt wie das schwarze Meer, auf das sie so oft blicken, im Dunkeln. Daher ist Schwarzer Ozean trotz des unnötigen sentimentalen Schlusses und Voice-Overs ein Film, der es hauptsächlich dem Zuschauer und seinen Beobachtungen überlässt, über die Folgen dieses Erlebnisses nachzudenken.

Schwarzer Ozean

Wiederholt fasst die Kamera von Jan Vancaillie die dunklen Gewässer ein, die diesen Film fast leitmotivisch durchziehen. Sie stehen für die Ungewissheit und Unklarheit, mit der die Protagonisten in Marion Hänsels Film „Schwarzer Ozean“ konfrontiert sind. Symbolträchtig ist daher bereits der Anfang des Films. Ein zehnjähriger Junge blickt auf einen aus seiner Perspektive fast unüberwindlichen dunklen großen Fluss.
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