Ruhelos

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Dienstag, 20. November 2012, ARTE, 20:15 Uhr

Unter dem deutschen Titel Ruhelos wird nun der Film Persécution des französischen Theater- und Filmemachers Patrice Chéreau im Fernsehen gezeigt, der 2009 bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig seine Premiere feierte. Mit Filmen wie Der verführte Mann / L’homme blessé (1983), Die Bartholomäusnacht / La reine Margot (1994) und Intimacy (2001) bekannt durch seine intensiven, schwierigen Stoffe bietet Patrice Chéreau auch insbesondere mit seinem neusten Film keine leichte Kinokost dar, sondern vielmehr ein unwegsames, dichtes Drama um einen Mann, dessen Existenz von einer abgrundtief pessimistischen Grundhaltung sich selbst und der Welt gegenüber geprägt ist.
Er ist 35 Jahre alt und ein hübscher Kerl, der allein lebt und sein Dasein überwiegend mit seiner Arbeit, dem Renovieren von Wohnungen füllt, wobei er sich gelgentlich um den alten, kranken Michel (Gilles Cohen) kümmert: Daniel (Romain Duris) ist ein unleidlicher bis explosiv aggressiver Charakter, lose mit der aparten Sonia (Charlotte Gainsbourg) liiert, die gleichfalls viel und oftmals außerhalb arbeitet, so dass sich die Beziehung der beiden auch aus diesem Grund emotional schwierig, so sporadisch wie distanziert gestaltet und immer wieder temporäre Trennungstendenzen aufweist. Da katapultiert sich eines Tages ein offenbar Verrückter (Jean-Hugues Anglade) auf distanzlose Weise in Daniels Existenz, stellt ihm nach, dringt sogar in sein Appartement ein und gesteht ihm schließlich seine Liebe. Für den kontrollierten Daniel, der zunächst verständlicherweise überaus verärgert auf den unbekannten Stalker reagiert, öffnet sich durch den zwangsläufigen Umgang mit diesem seltsamen Fremden dann aber allmählich eine andere Sicht auf sein eigenes Leben, dessen krude Monotonie so empfindlich wie wirksam gestört wird …

Innerhalb einer mitunter mysteriös anmutenden Atmosphäre bewegt sich die wenig sympathische Figur des mürrischen, in vielerlei Hinsicht verletzt und verfolgt wirkenden Daniel durch die ereignisarme Dramaturgie, die zuvorderst auf Begegnungen und Dialoge, aber auch auf ausdrucksvolle Bilder setzt, um die verwirrten Befindlichkeiten ihres Helden zu skizzieren. Geprägt von ausführlich kommunizierten, doch letztlich lediglich vagen Andeutungen verbleiben die Hintergründe und Erklärungen von Daniels unglücklichem Leben als Spekulationen beim Zuschauer, dem durchaus einiges an Geduld abverlangt wird, um sich den Zugang zu dieser puristisch und radikal ungefällig inszenierten Geschichte zu erschließen. Ruhelos wirft in seiner unbarmherzigen Manier zahlreiche Fragen zur defizitär gezeichneten Situation der kinderlosen Mittdreißiger im urbanen Raum auf, die durch den rastlosen Charakter Daniels repräsentiert wird, der durch die Qual einer tatsächlichen oder imaginierten Verfolgung gezwungen wird, sich mit den übermächtigen Schatten seiner Prägung auseinanderzusetzen. Unterschwellige psychische oder aber offen eskalierende Gewalt auf zwischenmenschlichem Territorium ist eines der brisanten Themen dieses bewegend intensiven Films, der überwiegend jenseits von potenziellen Harmonisierungen die unbequemen Aspekte einer extremen, wütenden Deplatziertheit transportiert, die hier in provokativer und aufrüttelnder Form zur Darstellung kommt.

Ruhelos

Unter dem deutschen Titel „Ruhelos“ wird nun der Film „Persécution“ des französischen Theater- und Filmemachers Patrice Chéreau im Fernsehen gezeigt, der 2009 bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig seine Premiere feierte.
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