Route 181

Ein anderer Blick auf den Nahost-Konflikt

Am 29. November 1947 beschloss die Vollversammlung der Vereinten Nationen die Resolution, mit der sie die britischen Mandatsherrschaft über Palästina beendete und die Gründung zweier unabhängiger Staaten auf den Weg brachte. 56 Prozent des Landes gingen an die jüdische Minderheit, 43 Prozent wurden der arabischen Mehrheit der Bevölkerung zugesprochen, die Stadt Jerusalem sollte nach dem Willen der UN unter internationaler Kontrolle verbleiben. Doch die damals beschlossenen Grenzen führten nicht zu einem friedlichen Miteinander in Nahost, sondern vielmehr zu einem blutigen Konflikt, der bis heute anhält. Eine Lösung des Nahost-Problems ist nach wie vor in weiter Ferne, zumal ein palästinensischer Staat trotz des Beschlusses vor 57 Jahren noch immer nicht existiert.

Wie tief und schmerzhaft die Wunden sind, die dieser Konflikt geschlagen hat, zeigt eine fast vierstündige Dokumentation des israelischen Regisseurs Eyal Sivan und des palästinensischen Filmemachers Michel Khleifi, die entlang einer imaginären Route 181 die Grenzen der beiden Staaten befahren. Auf ihrer Reise vom Sünde des Landes in den Norden begegnen sie zumeist alten Menschen – Juden und Palästinenser – , bereits seit Jahrzehnten mit diesem Konflikt leben. Sie treffen auf Verzweiflung, Wut und Gleichgültigkeit, aber auch auf Hoffnung und Überlebenswillen, auf Israelis und Palästinenser, Juden und Araber, die sich zynisch, humorvoll oder gewaltsam gegen die ‚Nachbarn‘ abgrenzen. Und immer wieder werden bei diesen spontanen Begegnungen, die niemals geplant oder vereinbart waren, Widersprüche aufgedeckt zwischen eigener Weltsicht, historischer Wahrheit und der sie umgebenden Wirklichkeit. Ein Dokument des absurden Status Quo im Nahen Osten.

Selten hat eine Dokumentation in den letzten Jahren für solch heftige Kontroversen gesorgt wie diese israelisch-palästinensische Gemeinschaftsproduktion. Bereits kurz nach der Erstausstrahlung des Films im deutsch-französischen Kulturkanal ARTE liefen die Drähte heiß und ein Sturm des Protestes erhob sich gegen das im Film zu Tage tretende Verständnis für die Situation der Palästinenser. Beim Festival „Cinéma du réel“ 2004 verhinderten Intellektuelle wie der rechte Philosoph Bernard-Henry Lévy und der Schriftsteller Philippe Sollers eine von zwei Wiederaufführungen im Pariser Centre Pompidou mit dem Hinweis, der Film vergifte die öffentliche Debatte über den israelisch-palästinensischen Konflikt.

Die Kritiker nahmen vor allem Anstoß an zwei Zitaten aus dem Film Shoah von Claude Lanzmann und riefen zu erhöhter Wachsamkeit gegen den Film auf. In einer Szene schildert ein Friseur, wie er ein Massaker an Palästinensern 1948 erlebt hat. Der Film assoziiert die Erzählung mit Eisenbahnschienen, auf denen Juden ins Vernichtungslager rollten. Doch es gab mindestens ebenso viele und prominente Apologeten des Films, denn am 8. März 2004 protestierten 300 Leute, darunter Jean-Luc Godard und der linke Philosoph Étienne Balibar, gegen diesen krassen Fall von Zensur, wie sie es nannten.

Ab dem 6. Mai ist diese absolut sehenswerte Dokumentation nun auch in den deutschen Kinos zu sehen.

Route 181

Am 29. November 1947 beschloss die Vollversammlung der Vereinten Nationen die Resolution, mit der sie die britischen Mandatsherrschaft über Palästina beendete.

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