Raze

Eine Filmkritik von Björn Helbig

Auf Leben und Tod

Auf nahezu jedem Fantasy Filmfest gibt es einen Film, der die Gemüter erhitzt und zu heftigen Kontroversen herausfordert. Raze von Josh C. Waller, ein Film über Frauen, die gezwungen sind, sich in illegalen Wettkämpfen zu Tode zu prügeln, hat gute Chancen in diese Gruppe aufgenommen zu werden. Ob das allein bereits ein Qualitätsmerkmal ist? Diese Frage selbst gehört wahrscheinlich schon zu besagter Kontroverse dazu.
Als Jamie (Rachel Nichols) in einer Bar einen netten Typen (Jordan James Smith) kennenlernt und ihm gegenüber erwähnt, dass sie Kickboxerin ist, ahnt sie noch nicht, dass sie damit ihr Schicksal besiegelt hat. Kurze Zeit später wird sie betäubt, entführt und kommt erst wieder in einem kargen Gebäudekomplex zu sich. Sie irrt durch die Gänge und begegnet auf einmal einer Frau, die sich als Sabrina (Zoe Bell) vorstellt. Ehe sie sich versieht befinden sich die beiden in einem Kampf um Leben und Tod. Denn Jamie, Sabrina und eine Reihe weiterer Frauen sind Opfer einer dekadenten Gesellschaft, die illegale Frauenkämpfe veranstaltet. Am Ende kann es nur eine geben. Wenn überhaupt.
Interessant ist gleich der Beginn, bei dem Waller den Zuschauer in die Irre führt. Denn nicht Jamie (Rachel Nichols) ist die Heldin des Films, sondern Sabrina. Schon an dieser Stelle signalisiert Waller dem Zuschauer, sein Herz nicht zu sehr an die Figuren zu hängen, deren Schicksal er in den nächsten knapp 90 Minuten miterleben wird. Denn Raze portraitiert ein bestialisches System und ist selbst ein wahres Monster, das keine Gefangenen macht.

Handwerklich ist Wallers Film exzellent gearbeitet. Nicht nur am Anfang und nicht nur aufgrund seiner Farbdramaturgie und des Scores erinnert er ein wenig an Vincenzo Natalis The Cube. Wie auch dort sind die Protagonistinnen Spielball unbekannter Mächte und müssen in ihrem ausweglosen Gefängnis jederzeit mit tödlichen Attacken rechnen. Das Szenario lässt an schmutziges Grindhouse und sleazige Exploitation denken. Auffällig ist allerdings, dass Waller und sein Drehbuchautor Robert Beaucage sich in ihrem Film zwar auf die individuelle und systemische Gewalt konzentrieren, aber eine genretypische Sexualisierung des Stoffs konsequent meiden.

In seiner Kälte und Trostlosigkeit erinnert Raze auch ein wenig an 13 Tzameti von Géla Babluani, doch was sein Sendungsbewusstsein betrifft, kommt einem eher noch Martyrs in den Sinn. Mit Pascal Laugiers Film hat Raze gemeinsam, dass auch hier die Frauen nicht einfach nur aus perverser Sensationslust gequält werden, sondern dem Ganzen ein tieferer Sinn unterstellt wird. In Raze dient alles einem evolutionären Zweck. Den Organisatoren, dem Ehepaar Joseph (Doug Jones) und Elizabeth (Sherilyn Fenn), zufolge wird die Siegerin in ein neues Entwicklungsstadium eintreten. Den Beweis hierfür bleibt Waller dem Zuschauer allerdings schuldig. Ebenso dafür, ob es sich überhaupt lohnt, intensiver über Raze nachzudenken oder ob es sich aller Andeutungen zum Trotz vielleicht wirklich nur um reine, auf maximalen Effekt ausgerichtete Exploitation handelt. Ein Film mit „Kult-Potenzial“ ist Raze durch seine kompromisslose Brutalität in jedem Fall. Aber das bedeutet ja nicht zwangsläufig etwas Gutes.

Raze

Auf nahezu jedem Fantasy Filmfest gibt es einen Film, der die Gemüter erhitzt und zu heftigen Kontroversen herausfordert. „Raze“ von Josh C. Waller, ein Film über Frauen, die gezwungen sind, sich in illegalen Wettkämpfen zu Tode zu prügeln, hat gute Chancen in diese Gruppe aufgenommen zu werden. Ob das allein bereits ein Qualitätsmerkmal ist? Diese Frage selbst gehört wahrscheinlich schon zu besagter Kontroverse dazu.
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