Rad der Zeit

Der neue Film von Werner Herzog

Werner Herzogs Dokumentation gewährt einen tiefen Einblick in das wichtigste Buddhistische Ritual — die Kalachakra Initiation in Bodh Gaya (Indien) und Graz (Österreich) durch seine Heiligkeit den Dalai Lama. Zum ersten Mal darf eine Kamera die Festlichkeiten begleiten und die Entstehung des Kalachakra Sandmandalas dokumentieren. Exklusive Interviews mit dem Dalai Lama beleuchten die Hintergründe. Herzog verbindet die Kalachakra Initiation mit einer Pilgerfahrt zum heiligen Berg Kailash in Tibet. Er nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise in die Farbenpracht, Demut und Friedlichkeit des Buddhismus.
Vor zweieinhalb tausend Jahren verließ der Königssohn Siddhartha Gautama seine Heimat an den Ausläufern des Himalaja und Begann seine Wanderschaft auf der Suche nach Wahrheit. Nach Jahren des Wanderns kam er in der Tiefebene des Ganges, in der Nähe des Dorfes Bodh Gaya an. Er rastete unter einem Baum und fand Erleuchtung. Seitdem ist er als „Buddha“, der Erleuchtete, bekannt. Der Maha Bodhi Tempel markiert den Ort, an dem Buddha verweilte und neben ihm steht mittlerweile die 5.Generation des ursprünglichen Baumes. Für die Welt des Buddhismus ist dies heiliges Land. Pilger aus der ganzen Welt kommen hierher. Im Jahre 2002 sind es eine halbe Million. Lama Lhundup Woeser ist gerade angekommen. Er hat in dreieinhalb Jahren 4.000 Kilometer mit „Niederwerfen“ zurückgelegt, um heute hier zu sein. Seine Hände haben Überbeine und seine Stirn ist wund, weil er Millionen Mal die Erde mit ihr berührte: „Ich weiß jetzt, wie groß die Erde ist“, beschreibt der Mönch demütig seine Erfahrung.

Ein Meer von Buddha-Lampen erhellt als Symbol der Erleuchtung den Platz unter dem heiligen Bodhi Baum. Oberton-Gesang stimmt auf das große Ereignis ein.Die Kalachakra Initiation umfasst Unterweisungen in der buddhistischen Lehre, Gebete, philosophische Debatten und die Initiation („Einweihung“) unter dem Vorsitz des Dalai Lama. Das zentrale Ritual ist die Herstellung des Sandmandalas. Nach Weihung der Grundfläche malen acht Mönche 18 Stunden täglich mit farbigem Sand eine innere Vision: das „Rad der Zeit“ — eine innere Landschaft mit mehr als 720 Gottheiten und tiefgründigen spirituellen Symbolen. Man hört nur ein leises metallisches Geräusch, wenn die Mönche des Namgyal Klosters (Dharamsala, Nordindien), behutsam auf ihr Werkzeug klopfen. Ein mit Sand gefülltes Metallstäbchen wird gerieben und gibt durch die kleine Öffnung einen dünnen, kontrollierbaren Sandstrahl frei, mit dem die feinen Linien des komplizierten Werks gemalt werden können. Sie werden noch mehrere Tage an dem Kunstwerk arbeiten. Sie hoffen, dass ihr Oberhaupt der Dalai Lama wieder gesund wird und die Initiation durchführen kann.

Werner Herzog entführt uns währenddessen zum „kostbaren Schneejuwel“ ,wie der Berg Kailash im Westen Tibets genannt wird. Tausende Pilger sind auch hier angereist, um diesem „Sitz eines Buddhas“ ihre Ehre zu erweisen. Ein Mast mit Gebetsfahnen wird feierlich errichtet. Auf mehr als 5.000 Metern Höhe werden sie den Berg in drei Tagen einmal umwandern. Höhenluft und die Strapazen der 52 Kilometer hat in den letzten Jahrzehnten schon einige Gläubige das Leben gekostet. Die Pilger besitzen keine moderne Ausrüstung. Sie haben einen Blasebalg mit, um aus Dung Feuer machen zu können und ernähren sich von Gerstenmehl mit Butter. Aber sie sind glücklich. Die Pilgerfahrt wird in diesem Jahr des Pferdes 2002 eine zwölffache Aufhebung von schlechtem Karma erwirken und ihr nächstes Leben segnen.

Zurück in Bodh Gaya bereiten die Mönche den Mittagstee vor, der aus Schwimmbecken-großen Kübeln an die vielen Pilger verteilt wird. Das Sandmandala ist fertig und hinter Plexiglasscheiben geschützt. Die Gläubigen bestaunen und verehren dieses äußere Abbild einer inneren Landschaft im Vorbeigehen. Sie sind zutiefst besorgt, als der Dalai Lama ihnen mitteilt, die Zeremonien nicht abhalten zu können. Sie werden diese Nacht wach bleiben und für seine Gesundheit beten. Der Dalai Lama bittet sie,nächstes Jahr wieder zu kommen und die Trauer, so viele Anhänger enttäuschen zu müssen,ist ihm anzusehen.

Die buddhistische Gemeinde Österreichs hat den Dalai Lama nach Graz eingeladen, um die Kalachakra Initiation dort abzuhalten. Dieses Mal ist seine Heiligkeit gesund und sitzt den vielen Ritualen vor, die den Höhepunkt vorbereiten. Die Initiationsanwärter tragen rote Bänder um die Stirn, als Symbol für ihre geistige Blindheit. Manche legen sich als Zeichen des Samens der Erleuchtung ein Reiskorn auf den Kopf. Während der Initiation werden die Anhänger in die heilige innere Landschaft eingeführt, die auf dem Sandmandala abgebildet ist. Sie erreichen eine höhere Bewusstseinsstufe in tiefer Meditation, die nicht mit der Kamera zu erfassen ist.

Das Sandmandala wird vom Dalai Lama mit einer Handbewegung zerstört. Es ist vergänglich. Der Sand und mit ihm die reine Welt Kalachakras wird dem Fluss übergeben, als Opfergabe für den Weltfrieden. Was bleibt, ist die innere Landschaft, die das Bewusstsein während der Initiation gezeichnet hat.

Rad der Zeit

Werner Herzogs Dokumentation gewährt einen tiefen Einblick in das wichtigste Buddhistische Ritual — die Kalachakra Initiation in Bodh Gaya (Indien) und Graz (Österreich) durch seine Heiligkeit den Dalai Lama.
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