Pushing Dead

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Empathie und Aktualität

Wenige Minuten nachdem Pushing Dead begonnen hat, glaubt man, ziemlich genau zu wissen, um welche Art von Film es sich hier handelt: eine Indie-Dramödie mit neurotischem Großstadt-Personal, die ein ernstes Thema humoristisch aufbereitet und dabei um die richtige Balance zwischen feel good und Nachdenklichkeit bemüht ist. Doch das Langfilmdebüt des Drehbuchautors und Regisseurs Tom E. Brown geht letztlich weit über dieses übliche Muster hinaus. Erzählformeln wie die Suche nach (und das Finden von) Mr. Right werden zwar aufgegriffen, münden aber in weitaus lebensechtere Momente. So entsteht ein Werk, das nicht nur über witzige Wortwechsel und sympathische Figuren, sondern auch über sehr viel Klugheit und obendrein über eine erschreckende aktuelle Relevanz verfügt.
Im Zentrum steht der Autor Dan (James Roday) – ein fortysomething, der seit 22 Jahren HIV-positiv ist. Er lebt mit seiner besten Freundin Paula (Robin Weigert) in einer Wohnung in San Francisco, meidet die Dating-Szene, um seinen gesundheitlichen Zustand nicht erläutern zu müssen, und jobbt im Nachtlokal seines älteren Kumpels Bob (Danny Glover), in welchem er einmal pro Woche einen schlecht frequentierten Poetry Slam veranstaltet. Als er von seiner Mutter einen Scheck über 100 Dollar zum Geburtstag erhält und diesen an einem Geldautomaten einzahlt, gilt er plötzlich nicht mehr als einkommensschwach, weshalb seine Krankenversicherung die hohen Kosten für seine Medikamente nicht mehr übernimmt. Dan benötigt nun monatlich 3000 Dollar, um diese bezahlen zu können. Während Dan versucht, die Sache zu klären, ehe ihm die Medikamente ausgehen, lernt er den Künstler Mike (Tom Riley) kennen. Paula wird derweil der vielen frustrierenden Verabredungen überdrüssig, weshalb sie sich liebevoll einem von Dan erworbenen Spielzeugaffen zuwendet – und Bobs Ehe mit Dot (Khandi Alexander) gerät in eine schwere Krise.

Tom E. Brown gelingt es, seine Figuren und deren Beziehungen mit einem hohen Grad an Authentizität zu versehen. Die Eigenheiten dieser Menschen wirken nicht – wie in unzähligen anderen Filmen – wie hübsche Accessoires, die dem Geschehen etwas Schräg-Amüsantes verleihen sollen, sondern ergeben glaubwürdige Profile. Neben der präzisen Zeichnung durch die Dialogzeilen des Skripts ist dies auch der Schauspielführung sowie dem Talent des Ensembles und der Chemie zwischen dessen Mitgliedern geschuldet. Insbesondere die Freundschaft zwischen Dan und Paula sowie zwischen Dan und Bob wird in schönen, von Vertrautheit und Wärme zeugenden Szenen eingefangen. Abgesehen von Danny Glover (Lethal Weapon) sind die Mitwirkenden dieses Werks eher aus dem TV bekannt: James Roday spielte die Hauptrolle in der Krimi-Comedy Psych, Robin Weigert gehörte zum Cast der Westernserie Deadwood und Khandi Alexander war Teil des Ermittlungsteams von CSI: Miami. Eine gewisse Fernsehästhetik haftet oft auch charaktergetriebenen Tragikomödien wie Pushing Dead an, da sie sich visuell nicht selten mit dem Abfilmen von Gesprächen begnügen; Brown zeigt sich in dieser Hinsicht jedoch ebenfalls ambitioniert: Diverse Traumsequenzen sowie die herrlich surrealen Auftritte eines von Tabitha Paigen verkörperten Mädchens werden einfallsreich umgesetzt. Im Kern der Geschichte geht es indes um gänzlich bodenständige Erkenntnisse – etwa dass man einen geliebten Menschen nicht mit großen Worten oder Gesten, sondern mit aufrichtigem Mitgefühl (zurück-)gewinnt oder dass man versuchen muss, mit sich selbst ins Reine zu kommen, statt sich in einer anderen Person die Lösung oder das Überdecken der eigenen Probleme zu erhoffen.

Darüber hinaus ist Pushing Dead ein bemerkenswerter Film über das alltägliche Leben mit dem HI-Virus: Brown zeigt den regelmäßigen Gang zur Apotheke, die Einnahme der Medikamente – und vermittelt überzeugend das Gefühl des Krankheits-Stigmas, dem sich der Protagonist auch in der heutigen Zeit (und selbst in einer modernen Stadt wie San Francisco) ausgesetzt sieht. Dans finanzieller Konflikt führt zudem die bürokratischen Absurditäten des US-Gesundheitssystems vor Augen und demonstriert, dass im Versicherungswesen oft wider den gesunden Verstand und wider die Humanität entschieden und gehandelt wird.

Pushing Dead

Wenige Minuten nachdem „Pushing Dead“ begonnen hat, glaubt man, ziemlich genau zu wissen, um welche Art von Film es sich hier handelt: eine Indie-Dramödie mit neurotischem Großstadt-Personal, die ein ernstes Thema humoristisch aufbereitet und dabei um die richtige Balance zwischen „feel good“ und Nachdenklichkeit bemüht ist. Doch das Langfilmdebüt des Drehbuchautors und Regisseurs Tom E. Brown geht letztlich weit über dieses übliche Muster hinaus.
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