Phoenix in der Asche

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Ein ganz realer Basketball-Krimi

Basketball in Hagen ist kein Sport wie jeder andere, sondern hat seit jeher einen ganz besonderen Stellenwert in der Stadt am Rande des Ruhrgebiets. Man wird das Gefühl nicht los, dass dieser Sport dort noch mehr geliebt, noch mehr gelebt, noch mehr durchlitten wird als anderswo. Seit Beginn der Bundesliga im Jahre 1966 spielten Mannschaften aus Hagen immer eine wichtige Rolle im Spielbetrieb und hatten bisweilen auch vorzeigbare Erfolge zu bieten – wie etwa die deutsche Meisterschaft des SSV Hagen im Jahr 1974 und die Pokalsiege des SSV Hagen 1975 und von Brandt Hagen 1994. Und wenn es um die Leidenschaft der Fans und die Besessenheit der Spieler und Verantwortlichen geht, wird Hagen immer wieder gerne mit dem Fußball-Bundesligisten FC St. Pauli verglichen – eine Gleichsetzung, die nicht nur deswegen hinkt, weil Hagens Basketball-Historie keineswegs so kontinuierlich ist wie der Kult um den Kiezclub aus Hamburg, sondern hier verschiedene Mannschaften einander ablösten.
Der Regisseur Jens Pfeifer stammt selbst aus Hagen und hat seit seiner Kindheit die Spiele des städtischen Basketballteams verfolgt – zunächst als Zuschauer, dann schon recht bald als Spieler von Brandt Hagen, dem früheren Bundesligisten aus der Stadt, der 2003 Insolvenz anmelden musste. Als Spieler der Jugendmannschaft von Brandt Hagen (übrigens ist Phoenix Hagen nicht – wie vielfach behauptet – der Nachfolgeverein von Brandt, der heißt nämlich BBV Hagen und ist Brandt bereits in die Insolvenz gefolgt) wurde er zweimal Zweiter der deutschen Juniorenmeisterschaften und träumte heimlich von einer Karriere als Profispieler, bis zwei Bänderrisse die Hoffnungen zerplatzen ließen. Dass er dennoch mit Leib und Seele Fan ist, daran lässt sein Film Phoenix in der Asche keinen Zweifel. Und dieses Verständnis des Spiels und die Liebe zu ihm tut dem Film auch sichtlich gut.

Man merkt in jeder Sekunde, dass nicht nur die Akteure vor der Kamera, sondern auch Pfeifer selbst für den Basketball im Allgemeinen und vor allem für den Sport in ihrer Heimatstadt brennen. Hinzu kommt, dass die beobachtete Saison 2009/2010 von Beginn an spannungs- und emotionsgeladen ist. Denn während jedes klassische Sportdrama mit dem finalen Sieg (im Fall von Phoenix wäre dies wohl der Aufstieg in die höchste deutsche Spielklasse gewesen) endet, setzt Phoenix in der Asche zu diesem Zeitpunkt überhaupt erst ein und fokussiert damit auf etwas Anderes. Nicht der glorreiche Sieg, sondern die Niederlagen sind es, die hier die Tonalität des Filmes vorgeben. Und neben dem sportlichen Kampf all die anderen kleinen und großen Probleme, mit denen sich ein Aufsteiger aus der Provinz im Profisport auseinandersetzen muss.

Das beginnt bereits mit dem Spielort für die Basketballer aus Hagen: Weil eine bundesligakonforme Halle mit genügend Zuschauerplätzen (3000 sollen es sein) fehlt, muss sich Phoenix eine Halle selbst bauen. Für den kleinen Verein eine Riesenhürde, die nur mit Müh und Not genommen werden kann. Doch das ist erst der Auftakt für einen Basketball-Krimi, der die Strukturen und Funktionsweisen ebenso zeigt wie die Faszination und Emotion, die in diesem Spiel stecken. Auf Spielszenen, zumal auf spektakuläre wie Slam Dunks und andere Feinheiten des Basketball verzichtet Jens Pfeifer weitgehend und beschränkt sich dabei auf jene Spiele, die über Abstieg oder Verbleib in der ersten Liga entscheiden. Im Mittelpunkt steht nicht das Vergnügen, das ein gelungener Spielzug, ein schöner Dunk oder ein genialer Rebound bereiten können, sondern die harte Arbeit, die blankliegenden Nerven, der Schweiß, die Schmerzen und manchmal auch die nackte Angst vor dem Abstieg, die sich wie ein roter Faden durch die Saison und durch den Film zieht.

Als Filmemacher hat sich Jens Pfeifer in diesem Film sehr zurückgenommen, er verharrt in der Position des Beobachtenden und stellt die Kamera stets in die Position eines Anwesenden, der fast schon als Teil des Teams erscheint. Dementsprechend gibt es keine Interviews mit den Beteiligten, alles entwickelt sich scheinbar natürlich aus dem Zusammenspiel der unterschiedlichen Charaktere heraus, was dem Film eine große Nähe und Authentizität verleiht.

Während der Spiele bleibt die Kamera stets auf das Geschehen am Spielfeldrand fokussiert, es zeigt die Reaktionen des Publikums und vor allem diejenigen von Trainer Ingo Freyer, der im Lauf der Saison immer mehr unter Druck gerät. „Pressure“, so sagt und schreit er immer wieder im Training, um seine Spieler zu mehr Aggressivität anzufeuern, den größten Druck aber hat er selbst. Zumal dies Freyers erste Saison als Trainer eines Bundesligateams ist.

Schon einmal stand vor kurzem der Basketball in Hagen im Zentrum eines Filmes. Hangtime – Kein leichtes Spiel von Wolfgang Groos allerdings war ein Spielfilm um einen jungen Spieler, der vor der Entscheidung steht, ob er ins Profilager wechseln soll oder nicht. Diese Wahl haben die in Phoenix in der Asche gezeigten realen Spieler natürlich längst hinter sich. Was bei Hangtime noch der große Traum eines Jugendlichen war, ist hier längst (desillusionierende) Realität geworden. Umso schöner, dass dieser überaus spannende Überlebenskampf am Ende doch noch ein glückliches Ende hat.

Phoenix in der Asche

Basketball in Hagen ist kein Sport wie jeder andere, sondern hat seit jeher einen ganz besonderen Stellenwert in der Stadt am Rande des Ruhrgebiets. Man wird das Gefühl nicht los, dass dieser Sport dort noch mehr geliebt, noch mehr gelebt, noch mehr durchlitten wird als anderswo.
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