Peter Tosh - Stepping Razor

Eine Filmkritik von Marie Anderson

No facts about Jamaica!

Zahlreichen Versuchen gegenüber, in abgedroschenen Allgemeinplätzen die gängigen Klischees über Jamaika, Reggae, die Rastas und populäre Musiker wie Bob Marley oder Peter Tosh zu reproduzieren, sind sich die Experten in zumindest einem Punkt einig: Es gibt über diese rasant dynamische Gesellschaft und Subkultur kaum allgemeingültige Aussagen, die an der nächsten Ecke nicht bereits wieder ihren Wert verlieren.

In seiner bereits 1992 produzierten Film-Biographie Peter Tosh — Stepping Razor, die nun zum ersten Mal mit deutschen Untertiteln gezeigt wird, beschreitet Nicholas Campbell einen der wenigen akzeptablen und aufrichtigen Wege, das Porträt eines ebenso legendär verehrten wie heftig umstrittenen Musikers wie Peter Tosh zu zeichnen: Er stellt die persönlichen Aufzeichnungen Toshs zu seiner geplanten Autobiographie, die „RED X tapes“, in den Mittelpunkt seines Films, flankiert von älteren Interviews mit dem Musiker sowie Gesprächen mit Freunden und Verwandten; dass dabei berühmte Weggefährten von Bob Marley über Sly Dunbar & Robbie Shakespeare bis zu Mick Jagger zu Wort kommen, zeigt, in welch illustrer Gesellschaft sich Tosh bewegte. Ergänzt wird diese bewusst subjektive Darstellung durch bisher unveröffentlichtes Konzertmaterial und, wie für die musikalische Biographie eines Rastas unerlässlich, reichlich Reggae-Music von den frühen Wailers bis zu seinem letzten Solo-Album „No Nuclear War“, das kurz vor der Ermordung Peter Toshs entstand.

Bürgerlich als Winston Hubbert McIntosh am 19. Oktober 1944 in Church Lincoln, einem kleinen Ort an der jamaikanischen Westküste geboren, wurde Peter Tosh von seiner allein erziehenden Mutter sehr früh der Obhut einer Tante anvertraut, da sie wirtschaftlich nicht in der Lage war, ihren Sohn zu versorgen- ein Schicksal, das noch heute nicht unüblich für die sozialen Verhältnisse in Jamaika ist. Nach dem Tod der Tante zog Peter im Alter von 15 Jahren zu seinem Onkel in den Stadtteil Trenchtown der Hauptstadt Kingston, einen Ort, der in einschlägiger Literatur als „sozialer Brennpunkt“ bezeichnet werden würde und noch heute als einer der gefährlichsten der Insel gilt. Hier traf der junge Tosh einerseits auf die Hoffnungslosigkeit und Härten städtischer Armut, andererseits aber auch auf wache, rebellische und ambitionierte Gleichaltrige, die ebenso wenig wie er selbst bereit waren, sich mit dem System der repressiven britischen Kolonialpolitik abzufinden.

In jenen Tagen galt es in Trenchtown als nahezu einziger Weg, legal aus der Armut aufzusteigen, eine Karriere als Musiker anzustreben, einen Hit zu landen, im Radio gespielt und berühmt zu werden. Und diese Vorstellung war keineswegs illusorisch, denn es gab durchaus einige Künstler, denen dies gelungen war, wie Jimmy Cliff, die Blues Busters oder- Joe Higgs. Dieser lokale Musiker, der einer der ersten prominenten Rastas in dieser Szene war und mit seinem Partner Wilson etliche Talentshows und Wettbewerbe gewann, scharrte talentierte Rude Boys seines Viertels um sich, unterrichtete sie kostenlos in Harmonielehre und Musiktheorie, ermutigte sie, eigene Songs zu schreiben und veranstaltete regelmäßig Jam-Sessions. Bei diesen Zusammenkünften, die auch Peter Tosh nahezu magisch anzogen, der inzwischen recht gut Gitarre spielen gelernt hatte, begegnete er Bob Marley und Bunny Livingston (d.i. Bunny Wailer), mit denen er sich rasch nicht nur musikalisch anfreundete und bald darauf die „Wailing Wailers“ gründete.

Zu diesen Zeiten wurde die jamaikanische Musikszene neben hauptsächlich Calypso und Mento vom Ska dominiert, der als Vorläufer des Reggae gilt, und die Wailers konnten sich nach ihrem ersten Hit von 1964, „Simmer Down“, rasch als die Avantgardisten dieser neuen Musikrichtung etablieren, die bald darauf ein internationales Publikum begeistern sollte. Dennoch war das Musikgeschäft auf Jamaika hart und meist wenig einträglich, denn das große Geld teilten die wenigen, mächtigen Produzenten unter sich auf. Nach einigen Jahren mit wechselnder Besetzung der Wailers und einigen guten Erfolgen trennten sich die musikalischen Wege von Peter, Bob und Bunny, was häufig dem Eigentümer der Island Records, Chris Blackwell, zugeschrieben wird, der die Band 1972 unter Vertrag nahm und Bob Marley als alleinigen Leadsinger favorisierte. Bei allen Spekulationen darf jedoch nicht vergessen werden, dass alle drei Freunde ebenso markante Musiker wie eigenwillige Persönlichkeiten waren, was ihre folgenden Solo-Karrieren bestätigten.

Peter Tosh veröffentlichte nach mehreren Single-Hits 1976 sein erstes Solo-Album „Legalize it“, mit dem er sich massiv für die Legalisierung von „Ganja“ (d.i. Marihuana) einsetzte, was dem politisch bewussten, kämpferischen und unbequemen Anhänger der Rasta-Ideologie einige Feinde mehr bescherte. Der Musiker positionierte sich mit kontroversen Texten und provokativem Auftreten als ein Mann, der mit seiner Gitarre in Gewehrform keinen faulen Frieden basierend auf Unterdrückung innerhalb einer Zwei-Klassen-Gesellschaft duldete. Er wurde in Jamaika mehrmals Opfer brutaler Polizeigewalt, was seine Rebellion gegen das „Shitstem“ nur verstärkte, die er 1977 mit seinem Album und der Forderung nach „Equal Rights“ dokumentierte. Dieser legendären Scheibe entstammt auch der Song „Stepping Razor“, mit welchem er diese ihm häufig angehängte Bezeichnung aufgreift und sich selbst als gefährlichen Mann inszeniert: „If you wanna live treat me good“. Im selben Jahr ging er mit den „Rolling Stones“ auf Tournee, was sicherlich einen Höhepunkt seiner Karriere kennzeichnete.

Diese wurde am 11. September 1987 gewaltsam beendet, als Peter Tosh in seinem Haus in Kingston von einem Gunman namens Leppo Lobban erschossen wurde, der mit zwei weiteren Bewaffneten bei ihm eindrang. Die mysteriösen Umstände seiner Ermordung konnten nicht eindeutig aufgeklärt werden; Lobban wurde in einer Blitz-Verhandlung nach einer knappen Viertelstunde verurteilt und der Fall zu den Akten gelegt.

Nicholas Campbell, der vielen möglicherweise besser als Schauspieler aus The Omen oder Come Back, Little Sheba bekannt ist, geht in seinem Regiedebüt Peter Tosh- Stepping Razor auch der Frage nach dem gewaltsamen Tod des Musikers nach: The Man, The Music, The Murder. Der dokumentarisch authentische Stil Campbells, der mittlerweile auch weitere Regieerfahrungen auf diesem Terrain gesammelt hat, bringt dem Zuschauer die ambivalente Vielschichtigkeit einer heftigen Persönlichkeit auf spannende Weise nah, ohne wichtige, doch wenig ins Bild passende Details zu unterschlagen.
Ein gelungenes Porträt mit ungewohnten und schonungslosen Einblicken in die jamaikanische Musikszene und Gesellschaft abseits des Tourismus- nicht nur für Reggae-Fans.
 

Peter Tosh - Stepping Razor

Zahlreichen Versuchen gegenüber, in abgedroschenen Allgemeinplätzen die gängigen Klischees über Jamaika, Reggae, die Rastas und populäre Musiker wie Bob Marley oder Peter Tosh zu reproduzieren, sind sich die Experten in zumindest einem Punkt einig:

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Meinungen

· 02.01.2006

nicht für fans von ihm eine gute doku. zeigt auch seine musik was ich wichtig finde.

· 01.11.2005

recht gute doku man hätte aber mehr draus machen

· 15.10.2005

What a pleasure to see Peter Tosh honoured on screen in Germany! Long live his message!