ParaNorman (2012)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Mummenschanz und Totentanz

Normal ist dieser Norman nun wirklich nicht, allenfalls paranormal und zudem in dieser Richtung eindeutig mit einer Gabe gesegnet. Weswegen dieser Film – logisch – auch ParaNorman heißt. Was an diesem Jungen so seltsam ist, das erfährt man gleich in den ersten Minuten, wobei auf den ersten Blick alles mehr oder minder normal ausschaut. Norman hat es sich gemeinsam mit seiner Großmutter vor dem Fernseher gemütlich gemacht und schaut sich gerade einen blutrünstigen Zombiefilm an (gut, das ist dann für einen Zehnjährigen schon ein wenig ungewöhnlich). Das Ungewöhnliche an dieser Szenerie ist freilich nur, wie die restliche Familie des Jungen später darauf reagiert – denn Normans Grandma ist seit langem schon tot. Und sie ist nicht die einzige bereits Verschiedene, die Norman sieht; wenn er morgens zur Schule geht, ist er mit den Toten buchstäblich auf du und du. Doch die Gabe ist für den Jungen selbst eher eine Bürde, denn sie macht ihn in der Schule zum Außenseiter, zum „Freak“ (so zumindest steht es auf seiner Spindtür zu lesen) und zuhause hat er ebenfalls keine Unterstützung zu erwarten.

Doch dann sieht sich Norman unversehens einer gewaltigen Aufgabe gegenüber, die nur er bewältigen kann. Und dazu muss er tief in die Geschichte seiner Heimatstadt hinabtauchen, denn seit einem Hexenprozess zu Zeiten der frommen und abergläubischen Pilgerväter liegt ein Fluch über der Stadt. Und Norman ist dank seiner Fähigkeiten, mit den Toten und nicht ganz so Toten zu reden, die einzige Hoffnung für Blithe Hollow. Bald schon muss er aber (und mit ihm auch die Bewohner der Stadt) lernen, dass nicht alles so ist, wie es scheint.

Puppen-Animationsfilme im Stop-Motion-Verfahren sind mittlerweile eine Seltenheit geworden – viel zu aufwändig und langwierig ist diese Art des Filmemachens im Vergleich zum rein am Computer entstandenen Film. Und dennoch liegt in diesen Filmen ein ganz besonderer Charme verborgen, der sich bereits aufgrund der Materialität ideal für Stoffe mit einer gewissen nostalgischen Note eignet. Das war bereits in Coraline so, dem ersten Streich des Animationsstudios Laika Entertainment, dessen grundlegenden Einfluss (auch im Zusammenspiel von Stop-Trick und sparsam eingesetztem 3D) man auch bei ParaNorman noch deutlich sehen kann. Auch die Nähe zu Tim Burton und insbesondere zu Corpse Bride — Hochzeit mit einer Leiche, bei dem Co-Regisseur und Drehbuchautor Chris Butler beim Storyboard und dem Produktionsdesign mitwirkte, ist unübersehbar.

Überhaupt kommt einem manches an ParaNorman seltsam vertraut vor – ob dies nun die grundlegende Geschichte eines Außenseiters ist oder der Rückgriff auf die Mythen der B-Movies und des Trash-Fernsehens und der ganz speziellen Formensprache des amerikanischen Grusels. Besonders zu Beginn fühlt man sich immer wieder an die Filme Tim Burtons erinnert, deren Leidenschaft für die dunklen Ecken und schmuddeligen Nischen des Kinos Norman mit Burton teilt. Und wenn an einer Stelle die sonst stets steil nach oben gegelten Haare plötzlich kreuz und quer vom Kopf abstehen, dann ist das durchaus als Hommage an den Großmeister des cineastischen american gothic zu verstehen.

Trotz dieser deutlichen Abstammung von Coraline einerseits und den Filmen Tim Burtons andererseits entwickelt ParaNorman durchaus seinen eigenen Zauber, bekommt am Ende eine Wende ins Dramatische und eine durchaus moralische Dimension, die man in dieser Deutlichkeit bei Burton wohl nie zu sehen bekommen hätte. Dass ParaNorman trotz seiner überzeugenden Figuren nur teilweise zündet, liegt unter anderem auch an zwei fundamentalen Logiklöchern: Denn sobald die lebenden Toten in Gestalt der Richter und Schöffen aus dem Hexenprozess ihren Gräbern entsteigen, sind all die „echten“ Toten, denen Norman zuvor auf Schritt und Tritt begegnete, wie von Zauberhand verschwunden. Die zweite grundlegende Unstimmigkeit besteht darin, dass die vorgebliche Hexe sich später lediglich als paranormal begabtes Mädchen herausstellt, der Fluch aber dennoch seine außerordentliche bedrohliche Wirkung entfaltet – eine wirklich stimmige Geschichte sieht anders aus.

Dank seiner wundervollen ästhetischen Dimension und vielen kleinen und schönen Details sowie liebevoll gestalteter Figuren und mancher hübschen Querverweise auf diverse Horrorfilme ist ParaNorman aber durchaus sehenswert. Mit Coraline oder Corpse Bride, den beiden Filmen, deren Einfluss unübersehbar ist, kann er aber nicht mithalten.
 

ParaNorman (2012)

Normal ist dieser Norman nun wirklich nicht, allenfalls paranormal und zudem in dieser Richtung eindeutig mit einer Gabe gesegnet. Weswegen dieser Film – logisch – auch ParaNorman heißt. Was an diesem Jungen so seltsam ist, das erfährt man gleich in den ersten Minuten, wobei auf den ersten Blick alles mehr oder minder normal ausschaut. Norman hat es sich gemeinsam mit seiner Großmutter vor dem Fernseher gemütlich gemacht und schaut sich gerade einen blutrünstigen Zombiefilm an (gut, das ist dann für einen Zehnjährigen schon ein wenig ungewöhnlich).

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