Our Grand Despair

Eine Filmkritik von Lida Bach

Verzweiflung, süße Last

„Was werden wir tun?“, fragen sich Ender (Ilker Aksum) und Cetin (Fatih Al), als sie überdenken, worauf sie sich mit einer Mitbewohnerin in ihrer Zweier-Gemeinschaft eingelassen haben: „Sie wird nur Ärger machen.“ Aber das Apartment, das Nihal (Gunes Sayin) mit ihren Eltern teilte, ist grausam leer und tot. Noch toter als die Eltern Nihals und ihres älteren Bruders Fikret (Baki Davrak), der Cetin und Ender bittet, Nihal vorübergehend aufzunehmen. Toter als tot gibt es eigentlich nicht, nur in Seyfi Teomans melancholisch-beglückender Komödie. Die Standardvorgaben Beziehungskomödie beachtet der türkische Regisseur und Drehbuchautor einfach nicht.
Beim Einzug hängt Nihal zwischen zwei Freundinnen sturzbetrunken in der Tür. Dann kauert sie wie ein kleines Mädchen auf dem Spielplatz im winterlichen Ankara und vergräbt sich weinend in ihrem Zimmer. Ganz behutsam, fast schüchtern zeigen die beiden Jugendfreunde ihre Fürsorge und plötzlich ist aus dem platonischen Liebespaar eine Kleinfamilie geworden. Katzen möge sie besonders, erzählt Nihal. Sie sehen alles und geben vor, es kümmere sie nicht. So katzenhaft sind sie und Seyfi Teoman. Jede Gefühlsnuance nimmt Our Grand Despair (Bizim Büyük Çaresizligimiz) wahr. Inszeniert ist die herzerwärmende und herzzerreißende Geschichte vollkommen unprätentiös. Ohne es richtig mitzubekommen, verlieben sich Ender und Cetin in die junge Frau, die dank der Liebe — halb romantischer, halb freundschaftlicher Natur — über ihre Trauer hinweg findet.

Weil Teoman so belesen ist wie Ender, der die ruhige, intellektuelle Ergänzung zum extrovertierten Cetin ist, weiß er um Spielarten von Our Grand Despair. Die titelgebende Verzweiflung vernichtet jene, die sie fühlen nicht, sondern führt sie zu einem neuem Leben. Die in ihrer einträchtigen Freundschaft abgeschlossenen Männer öffnet sie wieder für ihr Umfeld. „Wir werden Daddies sein“, fürchten sie, nur um letztendlich zu erkennen, dass sie sich „wie Kinder“ verhalten. In Wahrheit reagieren sie auf die junge Frau, wie es Singles ihres Alters eben tun. Nihal ihrerseits beginnt die Gefühlswirrungen, die sie unabsichtlich auslöst, erst zu ahnen, als Ender ihr ein selbst verfasstes Gedicht zeigt und Cetin den Apfeltanz. Sein Bruder habe immer gesagt, er sei insgeheim dumm, gesteht Cetin. Nein, nichts und niemand ist dumm in Our Grand Despair. Die Charaktere, die Handlung und die trotz einer Spur Wehmut schwebend leichte Freundschafts-Romanze sind weise.

Insgeheim weise, denn die Figuren und der Regisseur scheinen selbst kaum zu ahnen, wie rar geistreiche kleine Filmerzählungen wie die ihre sind. Teomans feinsinniges cineastisches Poem, das unbekümmert zwischen den tiefschürfenden Dramen im Wettbewerb erklingt, zeigt was geht in der realen Welt. Hier können Wohnungen sich seelenloser anfühlen als der Friedhof, auf den Cetin und Ender Nihal zum Grab ihrer Eltern begleiten, allein sein frostiger als der Park, in dem die drei miteinander spazieren gehen und zu dritt sein köstlicher als die Gerichte, die Cetin und Ender mit Nihal teilen. „Sollen wir ins Kino gehen?“, fragt sie in einer frühen Szene, als es draußen vor Kälte klirrt. Spätestens da ist auch der Zuschauer ihr, Cetin, Ender und Our Grand Despair verfallen.

Our Grand Despair

„Was werden wir tun?“, fragen sich Ender (Ilker Aksum) und Cetin (Fatih Al), als sie überdenken, worauf sie sich mit einer Mitbewohnerin in ihrer Zweier-Gemeinschaft eingelassen haben: „Sie wird nur Ärger machen.“ Aber das Apartment, das Nihal (Gunes Sayin) mit ihren Eltern teilte, ist grausam leer und tot. Noch toter als die Eltern Nihals und ihres älteren Bruders Fikret (Baki Davrak), der Cetin und Ender bittet, Nihal vorübergehend aufzunehmen.
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