Oma & Bella

Eine Filmkritik von Annette Walter

Ein Lehrstück über würdevolles Altern

Ein Film über zwei betagte Damen, die den Tag damit verbringen, Kalbsfüße mit Nassrasierern zu enthaaren, Hühnerschenkel mit einem eisernen Hämmerchen flach zu klopfen oder „Hienerbriehe“, das jüdische Penicillin, zu kochen. Klingt erst mal banal. Im Fall von Alexa Karolinskis Film Oma und Bella wurde daraus aber ein poetisches Porträt von zwei jüdischen Frauen, die den Holocaust überlebt haben und ein Lehrstück über würdevolles Altern.
Es gibt viele Schauspielerinnen und Schauspieler, bei denen sich der geneigte Filmkritiker fragt, warum zur Hölle sie diesen Beruf gewählt haben, so glatt, austauschbar und von Botox und Kollagen malträtiert sind ihre Gesichter. Und dann gibt es Menschen, die sind über 80 Jahre lang natürlich gealtert und sie geben so wunderbare Darstellungen ab, dass man hingerissen von ihnen ist. Zur letzten Gruppe gehören Regina Karolinski und Bella Kratz, zwei Frauen im heutigen Berlin und die Protagonistinnen des Dokumentarfilms Oma und Bella. Die jüdischen Golden Girls haben den Holocaust überlebt und teilen sich eine Senioren-WG, in der sie Reginas Enkelin Alexa interviewt und gefilmt hat. Regina ist in Galizien geboren, Bella in Vilnius. Bei Bella, die am Stock geht, krümmt sich ein kleiner Buckel, Regina trägt einen mächtigen Busen vor sich her und hat eine Hüftoperation überstanden. Ein Großteil ihres Alltags spielt sich in ihrer Küche ab, denn die beiden brutzeln und schnippeln für ihr Leben gern.

„Es ist schlecht allein zu sein. Alle unsere Freunde beneiden uns, dass es so eine Freundschaft wie unsere gibt“, sagt Regina. „Die jungen Leute haben die Alten nicht gern. Die wollen nur unter Jungen sein“, seufzt Bella. „Ich habe kein einziges Foto von meinen Eltern“, sagt Regina. „Ich auch nicht“, stimmt Bella ein und nach Dialogen wie diesen weiß man, weshalb sich die beiden in schlafwandlerischer Vertrautheit verbunden sind. Der Zuschauer darf am Leben der Frauen dank Alexa Karolinskis zauberhaftem Film teilhaben.

Mit trockenem, aber nie zynischem Humor leben die beiden ihren Alltag, vergnügt, selbstbewusst und aufrecht. Nur einmal, da bröckelt die Fassade: Als Bella davon erzählt, wie sich ihr Vater erhängte. Die Nazis wollten sie und ihre Familie ins Getto verschleppen. Bellas Vater gab vor, noch einen Pelzmantel holen zu wollen. Doch tatsächlich erhängte er sich vor lauter Verzweiflung. Mit einem Lachen im Gesicht, aus Freude darüber, dass die Nazis ihn nicht erschießen konnten. „Man muss einen starken Charakter haben, um sich selbst zu erhängen“, sagt Regina zu Bella. Sätze, die lange nachwirken wie dieser ganze herrliche Film.

Oma & Bella

Ein Film über zwei betagte Damen, die den Tag damit verbringen, Kalbsfüße mit Nassrasierern zu enthaaren, Hühnerschenkel mit einem eisernen Hämmerchen flach zu klopfen oder „Hienerbriehe“, das jüdische Penicillin, zu kochen. Klingt erst mal banal. Im Fall von Alexa Karolinskis Film „Oma und Bella“ wurde daraus aber ein poetisches Porträt von zwei jüdischen Frauen, die den Holocaust überlebt haben und ein Lehrstück über würdevolles Altern.
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Meinungen

berlinbär · 21.02.2012

dieser film ist einfach nur bezaubernd berührend und zum nachdenken das wir doch alles haben auf der welt was wir brauchen...