Nicotina

Mexico City, 21:17 – 23:49 Uhr

Dass das Rauchen die Gesundheit schädigt und die Lebenserwartung erheblich verkürzt, kann man mittlerweile in Dutzenden von Varianten auf jeder Zigarettenpackung lesen. Trotzdem rauchen die Protagonisten in dem mexikanischen Thriller Nicotina, als gäbe es kein Morgen mehr. Dass etliche von ihnen im Laufe des Echtzeit-Filmes auf der Strecke bleiben, hat aber wenig mit dem übermäßigen Genuss von Nikotin zu tun als vielmehr mit einer Reihe von Verwicklungen, die es in sich haben.

An einem Herbstabend hackt sich der Computerfreak Lolo (Diego Luna) in das System einer Schweizer Bank ein, um dort einige wohlgefüllte Konten auszuspionieren. Gemeinsam mit dem Kleinkriminellen Tomson (Jésus Ochoa) und dessen Kollegen Nene (Lucas Crespi) will Lolo dann die wertvollen Online-Daten bei dem russischen Mafioso Svoboda (Norman Sotolongo) gegen ein Säckchen Diamanten umtauschen. Dazu sind natürlich etliche Zigarettchen nötig, um das angespannte Nervenkostüm ein wenig zu beruhigen. Da Lolo aber gleichzeitig unsterblich in seine hübsche Nachbarin Andrea (Marta Belaustegui) verliebt ist und deren Wohnung mit Überwachungskameras und Mikrophonen ausgestattet hat, vergisst er schnell den eigentlichen Deal und versucht stattdessen die Rendezvous der jungen Dame zu hintertreiben.

Als einige andere Personen – darunter der Friseur Goyo (Rafael Inclán und seine geldgeile Gemahlin Carmen (Rosa María Bianchi), der reizbare Apotheker Beto (Daniel Giménez Cacho) und seine Gattin Clara (Carmen Madrid) – unversehens von dem Deal und den Diamanten Wind bekommen, ist die Gier geweckt und es beginnt eine mörderische Jagd auf die Edelsteine, in deren Verlauf so mancher auf der Strecke bleiben wird. Und so ganz nebenbei wird geraucht und philosophiert, geliebt, und gestritten, fast wie im richtigen Leben also, bis zum überraschenden Ende…

Natürlich rumpelt die schräge Echtzeit-Story, bei der die filmische Dauer annähernd so lang ist wie die dargestellte Zeit, an einigen Stellen gewaltig. Denn es gibt kaum einen Film, der diese Herausforderung einer zeitlichen 1:1-Umsetzung bislang hundertprozentig überzeugend auf die Leinwand gebracht hätte. Mancher Trick (wie etwa der geteilte Bildschirm bei jedem Telefonat) und dramaturgische Schlenker erscheint dem geübten Kinogeher als pure Spielerei oder als Taschenspielertrick und doch macht Hugo Rodriguez Film verdammt viel Spaß. Auch wenn die Vorbilder Guy Ritchie (Snatch) und Quentin Tarantino überdeutlich von der Leinwand grüßen, so ist es doch erstaunlich, wie raffiniert, unterhaltsam, verspielt und manchmal sogar philosophisch Nicotina über weite Strecken wirkt. Ein Film, den man – im Gegensatz zu mancher unnötigen Zigarette – getrost empfehlen kann; Genuss ohne Reue gewissermaßen. Übrigens war Nicotina bei den Mexican Film Awards des letzten Jahres mit sechs Auszeichnungen der große Abräumer. Und er ist der Beweis dafür, dass die mexikanische Filmszene sich langsam aus dem Schatten des großen Bruders im Norden löst und ebenso innovative wie unterhaltsame Filme herausbringt, die auch auf dem internationalen Parkett großartig bestehen können.

Apropos: Gibt es eigentlich diese Kinos noch, in denen man rauchen darf? Sachdienliche Hinweise hierzu nimmt die Redaktion gerne entgegen.

Nicotina

Dass das Rauchen die Gesundheit schädigt und die Lebenserwartung erheblich verkürzt, kann man mittlerweile in Dutzenden von Varianten auf jeder Zigarettenpackung lesen.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Uli · 29.03.2006

Nicotina steht auf meiner Liste von sehr empfehlenswerten Filmen. Ich habe ihn mir auf DVD (bisher) dreimal angesehen.
Der Besprechung bei Kino-Zeit stimme ich voll zu und möchte noch ergänzen: Die Filmmusik passt ausgezeichnet, meine ich. Oft ist Filmusik für mich unnötiges Begleitgedudel - hier bringt sie den Film zusätzlich auf Tempo.

· 11.02.2006

Hallo Redaktion
und alle anderen
In Bad Soden am Ts ca 15 km von Frankfurt gibt es noch ein Raucherkino
GRUß
JD

Volker · 20.07.2005

Ich mußte diesen Film in der Sneak-Preview über mich ergehen lassen und kann nur sagen: Was für ein kläglicher Versuch, Meisterstücke wie Snatch zu kopieren! Die Darsteller sind allesamt unsympathisch (bis hin zum eigentlichen "Helden" der Geschichte) und die ständigen Verweise auf Mexikanische Volklore empfinde ich einfach als entnervend.

Ausländischer Film - gern, aber nicht, wenn er versucht, Hollywood mit erbärmlichen Ressourcen zu kopieren!

MfG,
Volker