Nicholas Nickleby

Dickens in Black and White

Nichts Neues aus dem Mutterland der historischen Literaturverfilmungen: Wieder einmal haben bei „Nicholas Nickleby“ die üblichen Verdächtigen Hand in Hand gearbeitet –auf der einen Seiten der Regisseur Douglas McGrath, der bereits vor einigen Jahren sein Talent für das Genre mit der Verfilmung von Jane Austens „Emma“ bewies und auf der anderen Seite der wohl „filmischste“ aller britischen Romanciers des 19. Jahrhunderts Charles Dickens, nach dessen literarischer Vorlage dieser Film entstand.

Die Geschichte ist schnell erzählt: Nach dem tragischen Tod seines Vaters, der sein gesamtes Vermögen verspekuliert hat, wird der junge Nicholas Nickleby zum Oberhaupt der Familie und muss sich als Familienvorstand um das Wohl der Seinen sorgen. Zusammen mit seiner Mutter und der Schwester Kate zieht Nicholas aus der ländlichen Idylle ins graue und chaotische London, um dort Hilfe und Unterstützung durch Ralph, den Bruder des Verstorbenen, zu finden. Doch dieser erweist sich als Bösewicht in nahezu klassischer Dickens’scher Manier, der seine eigenen finsteren Pläne mit der unliebsamen Verwandtschaft hat. Nicholas wird als Lehrer in ein Schullandheim abgeschoben, wo da Ehepaar Squeers mit unbarmherziger Hand über die kleinen Schützlinge regiert. Doch auch Kate, die in London in der Obhut des bösen Onkels zurückbleiben musste, muss sich mit dem Willfährigkeiten des Lebens auseinandersetzen. Sie soll nach dem Willen ihres Onkels mit einem seiner Geschäftsfreunde verkuppelt werden. Die Situation scheint aussichtslos, als ein lange verborgenes Geheimnis den Dingen eine neue und unerwartete Wendung gibt.

Charles Dickens’ knapp 900-seitiges Werk „Leben und Abenteuer Nicholas Nicklebys“ zu verfilmen, ist mehr als naheliegend. Denn wie in allen Dickens-Romanen findet sich hier ein Figurenpanoptikum, das jedem Dramaturgen die Tränen der Begeisterung in die Augen treibt: Jugendlich-naive Helden, die es in die Welt hinaustreibt, unterdrückte Hausdiener nebst sadistischer Herrschaft, eine verfolgte Unschuld sowie ein habgieriger und grausamer Onkel sind die Hauptzutaten aus dem viktorianischen (Kostüm-) Fundus. Platz für Differenzierungen und Grauabstufungen bleibt hier wenig. Allzu sehr verharrt der Regisseur in der Schwarz-Weiß-Zeichnung seiner Figuren, deren Glaubwürdigkeit das eine oder andere Mal darunter leidet. So gerät diese vierte Verfilmung von Dickens’ Roman (nach 1903, 1912 und 1947) zu einer prallbunten, mit hervorragenden Schauspielern besetzten und solide inszenierten Komödie, die allerdings wie ein Abgesang auf längst vergangene Zeiten wirkt, als die Welt noch klar getrennt war in Gut und Böse.

Warum dieser ebenso prachtvolle wie harmlose Unterhaltungsfilm allerdings nicht bereits zu Weihnachten in die Kinos kam, um das Publikum vor die schwere Wahl zu stellen, ob es nun besser sei, sich eine Dickens-Adaption vor dem heimischen Fernseher oder im Lichtspielhaus des Vertrauens anzuschauen, bleibt ein Rätsel.

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