Mr. Holmes

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Ein Genie und das Alter

Oh, ist das DER Mr. Holmes? Sherlock Holmes? Ja, das ist er. Nur ist er eben in Bill Condons Filmdrama Mr. Holmes ganz schön heftig in die Jahre gekommen. Der alte Mr. Holmes (Ian McKellen) lebt inzwischen mit einer grummeligen Haushälterin (Laura Linney), deren Sohn Roger (Milo Parker) und seiner Bienenzucht zurückgezogen auf dem Land. Gerade erst ist er aus Japan zurückgekommen. Dort war er auf der Suche nach einem Baum, der Krankheiten heilen oder zumindest lindern können soll. Er braucht diese Medizin dringend, denn Mr. Holmes hat ein großes Problem. Sein wichtigstes Gut verlässt ihn: sein Verstand. Die Alterssenilität hat eingesetzt – ein erschreckender Prozess, vor allem für einen Mann, dessen Selbstbild so stark auf Intelligenz, Wissen und Logik beruht. Was ihm bleibt von früher, sind die Bücher, die sein Kollege Watson über ihn geschrieben hat. Doch diese sind stark fiktionalisiert, daher sucht Holmes dringend einen Weg, sich selbst nicht zu verlieren.
Aber wie soll er sich nur erinnern? Vor allem an den wichtigsten Fall in seiner Geschichte, dem Fall, der schließlich dazu führte, dass Holmes seine Praxis aufgab und in den Ruhestand ging – ein Akt, der nicht ganz unfreiwillig war, wie sich herausstellt. Mit viel Mühe und der Hilfe von Roger (Milo Parker) arbeitet er sich Stück für Stück. Dessen jugendliche Neugier gebiert immer wieder die richtigen Fragen, die Holmes ein Stück Erinnerung zurückbringen. Es ist der Fall der Mrs. Kelmot, den es zu erinnern gilt. Die depressive, kinderlose Frau, die eine Obsession für das Spielen der Glasharmonika entwickelt hat und deren Mann sich Sorgen macht. Was war dort geschehen? Holmes muss sich mit seiner schriftlichen Erinnerungsarbeit beeilen. Sein Zustand wird schlechter. Sowohl geistig, als auch körperlich.

Die Geschichte in der Geschichte ist ein eloquentes Spiel in Zeit und Raum, das zwischen den Polen Alter und Jugend, Erinnerung und Vergesslichkeit, Schuld und Sühne angesiedelt ist. Die hinreißend leicht vorgetragene Story findet ihren elegischen Höhepunkt in einem Moment, als Holmes selbst ins Kino geht. Auf der Leinwand ist er zu sehen. Nicht er, der Mensch, sondern die fiktionale Figur, die gerade den Fall der Mrs. Kelmot löst. „Schwachsinn“, murmelt Holmes, „so war das nicht!“. Aber wie dann?

Damit hat Condon mit Mr. Holmes einen erfrischenden Ansatz gefunden, zumal gerade mit Sherlock und Elementary zwei Serien über Sherlock Holmes als jungen Mann produziert werden, die ihn auf seiner absolut geistigen Höhe zeigen. Doch jeder wird einmal alt – und was dann? Ian McKellen vermag es mit Inbrunst und Eleganz den fragilen und halbsenilen Mann zu mimen, seine klassische Theaterausbildung kommt in diesem eher ruhigen Film ganz und gar zum Tragen. Dabei impft er seiner Figur nur hier und da die alten Markenzeichen der Legende ein. Ein kleiner sarkastischer Witz, ein Moment voller Klarheit und großmeisterlicher Kombinationsgabe, ein paar Andeutung auf Pfeife und die berühmte Mütze, mehr braucht es nicht. Denn im Grunde ist die Figur vor allem die eines verlorenen und sterbenden Mannes zwischen schwindender Erinnerung und Heldentum.

Mr. Holmes

Oh, ist das DER Mr. Holmes? Sherlock Holmes? Ja, das ist er. Nur ist er eben in Bill Condons Filmdrama „Mr. Holmes“ ganz schön heftig in die Jahre gekommen. Der alte Mr. Holmes (Ian McKellen) lebt inzwischen mit einer grummeligen Haushälterin (Laura Linney), deren Sohn Roger (Milo Parker) und seiner Bienenzucht zurückgezogen auf dem Land.
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