Mister Universo

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Eine Wohltat und ein politischer Akt

Es dauert zwar immer ein bisschen, bis ein neuer Film kommt, doch da wartet man gern. Denn die Werke von Tizza Covi und Rainer Frimmel waren bisher immer ein großes, humanistisches Kinovergnügen irgendwo im Grenzland zwischen Dokumentation und Fiktion. Mister Universo macht da keine Ausnahme. Im Gegenteil, hier wird nahtlos an den wunderbaren Der Glanz des Tages aus 2012 angeschlossen.
Abermals bewegt sich die Geschichte im Zirkusmilieu, in das die Filmemacher dieses Mal ganz und gar einsteigen. Mister Universo, das ist Arthur Robin, der erste schwarze Mister Universe und eine ehemalige Größe im Zirkusgeschäft. Mit bloßen Händen verbog er Eisenstangen und schenkte die daraus entstandenen Gebilde seinem Publikum. Tairo (Tairo Caroli) hat auch so eine Stange. Sie ist sein Talisman, seit er fünf Jahre alt war und vor jedem Auftritt küsst er sie. Glück braucht er auch, denn sein Job ist gefährlich: er ist Löwen- und Tigerdompteur. Aber das Geschäft läuft allgemein recht schlecht. Im Jahr 2016 hat man es schwer, das Publikum noch zu begeistern und ins Zirkuszelt zu locken. Seine Tiere sind überaltert und der Schwermut hat sich bei Tairo breitgemacht. Und dann, nach einem Streit mit Kollegen, ist sein Eisen weg. Er findet es nicht wieder. Also muss er sich auf die Suche nach „Mister Universo“ machen. Vielleicht lebt er ja noch und kann ihm ein neues machen. Und so fährt Tairo durch ganz Italien, besucht eine große Zirkusverwandtschaft, die überall verstreut in Wohnwagen lebt und fragt sich durch. Wo ist Arthur Robin?

Mister Universo ist ein wunderbar einfacher Film. Ohne Schnickschnack und in aller Stille folgt er seinem Protagonisten Tairo auf der Suche und offenbart dabei in kleinen Episoden eine ganze Lebenswelt, die parallel zur restlichen und in einem ganz anderen Raum- und Zeitkontinuum funktioniert. Nicht in Häusern, immer in Wohnwagen, an keinen festen Orte, immer mal woanders leben diese Menschen, deren Rhythmus von den täglichen Shows und dem Weiterziehen an den nächsten Ort geprägt ist. Doch man merkt ganz deutlich, diese Welt stirbt langsam aus. Die jungen wie Tairo haben kaum noch den Glanz der alten Tage miterlebt. Für sie ist es ein noch härteres Brot. Eines, das ihnen die Knochen langsam zermalmt, ohne ihnen die Hoffnung auf eine Zukunft zu geben. Doch trotzdem, das Zirkusleben ist in ihrem Blut. Tairos Eltern arbeiten mit Tieren, sein Bruder, weit entfernt, in einem Zirkus. Sie sehen sich nur alle paar Jahre. Die Tante, der Onkel, die Cousinen, sie alle sind Teil dieser Welt. Und alle sind herzlich und freuen sich, dass Tairo zu ihnen kommt.

Nicht der Voyeurismus, der einem hier als ZuschauerIn liebevoll und ohne sich unangenehm anzufühlen, erlaubt wird, ist das Besondere an dem Schaffen von Tizza Covi und Rainer Frimmel. Der eigentlich wichtige Kern aller Filme, Mister Universo eingeschlossen, ist das sanfte Deuten auf andere, das Aufzeigen: Hier ist ein Mensch. In all seiner Unvollkommenheit, aber mit all seinen Träumen, Wünschen, Hoffnungen und Ängsten. Covi und Frimmel schaffen es immer wieder, eine Universalität zu schaffen, die das Kinoerlebnis in einer gemeinsamen, respektvollen Sphäre zwischen den Protagonisten, den Filmemachern und dem Publikum stattfinden lässt, die alle auf Augenhöhe betrachtet, alle ganz demokratisch einschließt und die auf die uns allen zugrunde liegende conditio humana hinweist, die wir alle in unserem segregierten Alltag aus Klassen, Rassen, Nationalitäten, Kulturen und Geschlechtern immer wieder aus den Augen verlieren.

Vor allem in Zeiten wie diesen, in denen politisch und gesellschaftlich wieder so viel Wert auf Trennung und Hierarchien gelegt wird, ist dieser Film nicht nur eine Wohltat, sondern ein politischer Akt.

Mister Universo

Es dauert zwar immer ein bisschen, bis ein neuer Film kommt, doch da wartet man gern. Denn die Werke von Tizza Covi und Rainer Frimmel waren bisher immer ein großes, humanistisches Kinovergnügen irgendwo im Grenzland zwischen Dokumentation und Fiktion. „Mister Universo“ macht da keine Ausnahme. Im Gegenteil, hier wird nahtlos an den wunderbaren „Der Glanz des Tages“ aus 2012 angeschlossen.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen