Metéora

Eine Filmkritik von Patrick Wellinski

Überirdisch, erdenschwer

Es heißt, wenn das Wetter trüb und der Nebel dicht ist, dann sieht es so aus, als würden die mittelalterlichen Klöster auf den Sandfelsen von Metéora in der Luft schweben. Die tiefgläubigen Bewohner der Anlagen sind in diesen Momenten sicherlich näher bei Gott, ihrer großen Hingabe und Liebe. Allerdings geht das Wetter vorüber und die Klöster erweisen sich doch als ziemlich erdverbunden, mit all den Problemen, Verführungen und Sünden, die die Umwelt so mit sich bringt.
Dies ist die Welt in der der junge Mönch Theodoros (Theo Alexander) und die russischstämmige Nonne Urania (Tamila Koulieva) leben. Sie bewohnen zwei gegenüberliegende Klöster, die nur unter schwersten Umständen erreicht werden können. Und ohne Frage würden sie ihr Leben in spiritueller Ruhe und Ordnung verbringen, wenn der griechische Regisseur Spiros Stathoulopoulos den beiden in seinem Berlinale-Wettbewerbsbeitrag Metéora nicht das Geschenk des gegenseitigen Begehrens machen würde. Die Liebe zum jeweils anderen erschüttert die Gläubigen, sie beginnen zu zweifeln. Zum einen an der Festigkeit ihres Glaubens, zum anderen an dem Sinn ihres ewigen Gelübdes. Mit jedem Treffen wächst zwischen Theodoros und Urania die Zuneigung, und die starren Regeln ihres asketischen Alltags, die sich mit der Zeit wie ein schützender Kokon um sie gewickelt haben, beginnen zu schwinden.

Metéoraist ein stiller Film. Langes Reden gehört nicht zum Klosterleben. Doch gerade im Schweigen und der Sprachlosigkeit entwickelt das Werk seine unbestreitbare Kraft. Was bedeuten schon Worte, wenn wir Urania und Theodorus bei einem kleinen und verbotenen Picknick sehen. Wie sie ins Lachen ausbricht, als er das russische Wort für „Hingabe“ falsch ausspricht. Kurz darauf werden sie von ihrer Begierde und Lust übermannt. In diesem Moment lässt Regisseur Stathoulopoulos den lauten Wind im Hintergrund ganz verstummen. Als Zeichen oder Vorahnung dessen, was den Weg der Figuren von nun an bestimmen wird.

Es sind solche inszenatorischen Einfälle mit denen Metéora sehr plastisch und überzeugend vom Ringen um die Liebe erzählt. Der griechische Filmemacher, der hiermit seinen zweiten Spielfilm präsentiert, hat selbst die Kamera geführt. Seine Bildkompositionen sind die Sprache des Films, der ja so standhaft von der Sprachlosigkeit seiner Helden erzählt. Wenn Stathoulopoulos kleine Episoden aus dem Alltag der Klosterbewohner zeigt (die Messen, die Gebetsstunden, die Besuche bei den Anwohnern im Tal), dann platziert er Theodorus und Urania gerne etwas abseits des Bildes. Sie wirken entrückt, hilflos, irritiert.

Doch ganz so schweigsam ist die Erzählung dann doch nicht. Die inneren Seelenqualen der Nonne und des Mönchs illustriert der Film in eingestreuten, animierten Sequenzen. Diese Scherenschnitt-Animationen sind im Stil ikonischer Malerei gehalten. Manchmal sind sie dazu da, um die Entfernung der Liebenden zu verdeutlichen. Doch ihre eigentliche dramaturgische Funktion ist es, die extreme Qual einer Glaubenskrise zu zeigen, um die es dem Film hauptsächlich geht. Genau in diesen Passagen ist Metéora gerne sehr laut und emotional aufgeladen — manchmal vielleicht zu sehr. Es wäre sicherlich mutiger gewesen, auf die Kraft der Ruhe und Stille zu setzen. In einer Animationssequenz wird Theodorus von einem tosenden Meer aus Blut fortgerissen, nachdem er eigenhändig Christus ans Kreuz genagelt hat. Das ist sehr stimmungsvoll, um den Verrat am Mönchtum zu illustrieren. Doch im Vergleich zum ursprünglichen Ansatz des Films wirkt dies fast schon plump. Auch, weil sich der Film am Ende mit der leichtesten aller möglichen Lösungen begnügt.

Nein, dieser Film ist nur dann ganz bei sich, wenn er schweigt und der frommen Kraft der Bildsprache huldigt. Dann schwingt sich Metéora auf, wird pures Kino und produziert nebenbei ein bezauberndes, in diesem Kontext fast schon göttlich zu nennendes Kinobild: Zwei leicht versetzte Lichtkegel, in denen der Staub der Sandfelsen wild zu tanzen scheint. Ein Bild, das alles über den Schmerz und Verlust eines selbst erwählten Lebensziels sagt.

Metéora

Es heißt, wenn das Wetter trüb und der Nebel dicht ist, dann sieht es so aus, als würden die mittelalterlichen Klöster auf den Sandfelsen von Metéora in der Luft schweben. Die tiefgläubigen Bewohner der Anlagen sind in diesen Momenten sicherlich näher bei Gott, ihrer großen Hingabe und Liebe. Allerdings geht das Wetter vorüber und die Klöster erweisen sich doch als ziemlich erdverbunden, mit all den Problemen, Verführungen und Sünden, die die Umwelt so mit sich bringt.
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