Mein Ein, mein Alles

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Im Bett mit dem König der Arschlöcher

Ist es nicht auch so im Leben? Dass das, was eine Entwicklung auslöst, ein Startpunkt, zuerst gar nicht bemerkt wird? Dass es nicht gesehen wird? Genau das passiert am Anfang von Maïwenns Mon roi, bei dem Tony (Emmanuelle Bercot) einen (nicht visualisierten) Skiunfall hat, der ihr Leben verändern wird. Mit einer schweren Knieverletzung muss sie sich einer langwierigen Reha-Behandlung unterziehen, wo sie von ihrer Therapeutin darauf hingewiesen wird, dass ihr nunmehr offensichtlicher wunder Punkt womöglich eine tiefere psychologische Bedeutung hat.
Und so entwickelt sich im Laufe von Tonys Behandlung eine Retrospektive, in der sich Tony an das erinnert, was sie niederdrückt in ihrem Leben. Und das ist vor allem die gescheiterte Beziehung zu dem ebenso charmanten wie manipulativen Georgio (Vincent Cassel), den sie per Zufall in einer Bar kennenlernt. Ziemlich schnell kommen sie sich näher, obwohl Tony am Anfang überhaupt nicht verstehen kann, wie der smarte Gastronom, der sonst vor allem Models gedatet hat, ausgerechnet mit ihr zusammen sein will: der zwar ein wenig verrückten, aber sonst eher unscheinbaren Rechtsanwältin.

Als sie dann zum ersten Mal miteinander im Bett landen, kommt das Gespräch auf Tonys vorherige Liebschaften, die sie stets mies behandelt haben. Darauf erwidert Georgio frech, er sei der König der Arschlöcher. Wie sehr er mit diesem freimütigen, von einem Lachen begleiteten Geständnis Recht haben wird, das ahnt zu diesem Zeitpunkt weder Tony noch der Zuschauer, die beide immer wieder dem unbestreitbaren Charme des Hallodris erliegen. Er will ein Kind? Kein Problem. Er will trotzdem sein Singleleben weiterführen, seine überaus attraktive Model-Exfreundin, die offensichtlich noch sehr an ihm hängt, auch weiterhin treffen (angeblich, um sie zu unterstützen) – all das akzeptiert Tony klaglos und merkt dann doch irgendwann, dass es nicht mehr geht.

Dabei geben sie – und das gehört zu den stärksten Momenten von Mon roi – durchaus ein hinreißendes Paar ab: So eine Hochzeit wie Tony und Georgio hätte man auch gerne, mit 2 CV-Korso und einer kleinen Open-Air-Orgie statt einer drögen Feier mit Eltern und der lieben Verwandtschaft. Und all die kleinen Scherze, die Neckereien, die verrückten Details – sie sorgen für Sympathie und erwecken den Eindruck, dass diese beiden bei aller Gegensätzlichkeit füreinander geschaffen sein könnten. Und dann kommen immer wieder diese Zweifel, das Misstrauen, die ersten Zusammen- und Ausbrüche, die Verdachtsmomente, die sowohl Tony als auch der Zuschauer vorgesetzt bekommen und die sich ein ums andere Mal bewahrheiten. Georgio führt mindestens ein Doppelleben, für ihn sind die Ehefrau und das Kind vor allem schmückendes Beiwerk, nicht aber der Lebensmittelpunkt. Der Mann ist der Clown, die Frau diejenige, die darunter leidet – das sind die Rollen, aus denen es nur dann ein Entrinnen gibt, wenn Tony endlich aufbegehrt gegen „ihren König“.

So vital Mon roi in vielen Szenen auch ist und so gelungen auch die darstellerischen Leistungen sein mögen (neben den beiden genannten sind auch Louis Garrel und Maïwenns Schwester Isild Le Besco zu sehen) – im Vergleich zu manch anderen Filmen mit ähnlicher Thematik wirkt das Werk öfter wie ein überlanges TV-Movie über die Unmöglichkeit einer Dauerhaftigkeit der Liebe in Zeiten wie diesen.

Mein Ein, mein Alles

Ist es nicht auch so im Leben? Dass das, was eine Entwicklung auslöst, ein Startpunkt, zuerst gar nicht bemerkt wird? Dass es nicht gesehen wird? Genau das passiert am Anfang von Maïwenns „Mon roi“, bei dem Tony (Emmanuelle Bercot) einen (nicht visualisierten) Skiunfall hat, der ihr Leben verändern wird.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Ute w. · 04.04.2016

Mich hat dieser Film sehr beeindruckt,er spiegelt die leider oft eintretende Realität dar!Grosse Liebe, aber man kann nicht miteinander,aber auch nicht ohne einander!Die Filmlänge ist etwas gewöhnungsbedürftig.