Maniac

Eine Filmkritik von Lida Bach

Augen der Angst

„Ich sehe dich“, flüstert Frank Zito (Elijah Wood) im Geiste zu der jungen Frau, der er durch die nächtlichen Straßen L. A.s folgt. Der schüchterne Einzelgänger wird sie skalpieren, noch bevor der Titel von Franck Kahlfouns Retro-Thriller in blutroten Lettern kreischt: Maniac. Das Remake von William Lustigs mit zahllosen Verboten honorierten Kult-Slasher zeigt den Titelcharakter mit einem schlüssigeren Täterprofil, wie er den ausgefeilteren Plot vorantreibt. Mit dem Haar der Opfer schmückt Frank seine Schaufensterpuppen, deren Ausdruck die einfühlsame Künstlerin Anna fasziniert. „Den letzten wahren Romantiker“ nennt sie Frank, in dem unsichere Zuneigung mit mörderischem Wahn ringt.
Das Autorenduo Alexandre Aja und Grégory Levasseur ist bedacht, nicht zu suggerieren, die Frauen hätten ihren Tod durch aufreizendes Verhalten provoziert. Dennoch wurzelt Franks Morddrang darin, dass er als Junge eine sexuell aktive Frauenfigur erlebt: seine Mutter (America Olivio). Ihr spätes Heimkehren mit wechselnden Männern, ihr Drogenkonsum und heimliche Blicke zu ihrem alles schweigend aufnehmenden Sohn sind eine krude Erklärung für Franks Manie und sein Bürsten ihres Haars eine denkbar plumpe Begründung für seinen Haarfetisch. Doch hinter den spekulativen Szenen steckt tiefere Sensibilität als jene für die grelle Dramaturgie der 80er-Jahre-Slasher. Die Mannequins verkörpern eine passive Attraktivität, die Frank modellieren und kontrollieren kann. Zur Perfektion fehlt ihnen lediglich eine Identität. Wie Frank diesen Mangel behebt, führt Maniac mit hingebungsvoller Präzision vor. Doch jede Puppengespielin wiederholt schließlich den Liebesverrat seiner Mutter und treibt ihn erneut aus der Hinterzimmerwohnung seiner Werkstatt. Dort verschmelzen die Puppen mit den Frauen, die in seiner Einbildung zu neuem Leben erwachen.

„Ich glaube, sie haben mehr Persönlichkeit als manche Menschen“, sagt Frank zu Anna, die sich in seiner Unverstandenheit selbst wiedererkennt. Aus ihrem Bekanntenkreis erfasst einzig Frank den Sinn ihrer Arbeit. Annas Galeristin Rita (Jan Broberg) spottet auf deren Ausstellungseröffnung über die Exponate aus Franks Fundus und indirekt über Anna. Die selbstgefällige Vulgarität des äußeren Umfelds steht in krassem Kontrast zu Franks Zurückhaltung und Artikuliertheit. Kahlfoun zeigt den Titelcharakter nicht als soziopathisches Spektakel, sondern als eine der vielen grausigen Facetten einer kranken Gesellschaft. Sie stimuliert Franks Kindheitsängste, die sich in Rückblenden in seine Gegenwart drängen, und ermöglicht seine Gewaltexzesse.

Eine hypnotische Plansequenz etabliert zu Beginn den Handlungsort als Moloch voller Verwahrlosung, Gleichgültigkeit und zwielichtiger Existenzen. Von diesem destruktiven Hintergrund heben Frank und Anna ihre schöpferische Ader ab. „Ich bin Restaurator“, sagt Frank zu Rita, die wie die Mehrheit der Protagonisten nur sich selbst gern reden hört. Frank sehnt sich nach Zwischenmenschlichkeit, die mehr ist als Triebbefriedigung – und endet dennoch unweigerlich dabei.

Nach jedem Mord scannt sein Blick aufs Neue die heruntergekommenen Straßen nach einem schönen Frauenschopf oder einer bestimmten Gestik. Die Willkürlichkeit seiner Auswahl reißt den Zuschauer aus der Zuversicht, nie in die Lage der Opfer geraten zu können. Der erste Mord an einer Internetbekanntschaft (Megan M. Duffy) macht deutlich, dass Frank nicht die Frauen, sondern sich selbst bestraft, indem er sich die ersehnte Zuneigung verwehrt. Der Sadist ist tatsächlich ein Masochist, der zugleich Abscheu und Mitleid weckt.

Kompromisslose Blutrünstigkeit, tadellose Grindhouse-Ästhetik und der zynische Grundton können nicht verbergen, was der pulsierende Psychothriller tatsächlich ist: eine Charakterstudie über Einsamkeit und Selbsthass. Bis auf zwei Ausnahmen übernimmt Maxime Alexandres angespannte Handkamera die Perspektive des Täters. Er blickt mit den Augen eines verängstigten Kindes in den Spiegel und sieht dort mit dem Zuschauer, was er geworden ist: ein Monster, das gerade ob seiner Menschlichkeit verstört.

Maniac

„Ich sehe dich“, flüstert Frank Zito (Elijah Wood) im Geiste zu der jungen Frau, der er durch die nächtlichen Straßen von L.A. folgt. Der schüchterne Einzelgänger wird sie skalpieren, noch bevor der Titel von Franck Kahlfouns Retro-Thriller in blutroten Lettern kreischt: „Maniac“. Das Remake von William Lustigs mit zahllosen Verboten honorierten Kult-Slasher zeigt den Titelcharakter mit einem schlüssigeren Täterprofil, wie er den ausgefeilteren Plot vorantreibt.
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